Kanada Aufenthalt

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Canmore, Alberta, Canada
Friday, May 3, 2013

Canmore – hier bin ich also gelandet. Der ehemalige Austragungsort der Skilanglauf- und Biathlonwettbewerbe der Olympischen Winterspiele im Jahr 1988 wird zu meinem zu Hause für den langen, kommenden Winter. Bis ins späte 20. Jahrhundert bestimmte die Kohleindustrie das gesamte Leben der hiesigen Einwohner, seitdem die Mine jedoch 1979 geschlossen wurde, entwickelte sich der Tourismus zum vorherrschenden Wirtschaftszweig.

Mein Fahrrad steht in der Garage von „Heather" und „Jörg“, einem amerikanisch-deutschen Ehepaar, das sich freundlicherweise dazu bereit erklärt hat, mich für meine ersten Tage in Canmore bei sich aufzunehmen und mir bei der weiteren Organisation hinsichtlich meines Winteraufenthaltes zu helfen. Durch sie bekomme ich meine erste Adresse für „house-sitting“. Um ehrlich zu sein, hatte ich von dieser kostenfreien Wohnalternative noch nie etwas gehört und musste mir das Prinzip erst einmal erklären lassen. Sind Hausbesitzer also verreist und ihr Besitz steht für die Zeit ihrer Abwesenheit leer, kümmert sich ein sogenannter „house-sitter“ (Haushüter) um das Anwesen, indem er darin wohnt. Das anvertraute Objekt bleibt somit ununterbrochen bewohnt. Für die Verreisten eine Absicherung ihres Eigentums und für sie ein beruhigendes Gefühl zu wissen, dass zu Hause alles in Ordnung ist. Für mich die Gelegenheit kostenlos im Ort wohnen zu können. Während meines 7 monatigen Aufenthaltes sollte ich stolze vier Mal in ein anderes Haus umziehen.

Natürlich braucht man Kontakte um eine Wohngelegenheit als „Housesitter“ zu finden und daher bin ich Heather und Jörg auch zutiefst dankbar, dass sie mir geholfen haben den Start in Kanada leichter zu gestalten.

Durch die Beiden bekam ich auch meine nächste wichtige Anlaufstelle auf derselben Straße. Mit dem Hinweis, dass zur Zeit ein paar Häuser weiter ein anderes deutsches Mädchen wohnt, wurde ich losgeschickt und traf wenig später auf „Sonja“. Die 18jährige aus der näheren Umgebung von Stuttgart hatte die letzten Monate auf einer Pferderanch verbracht und besuchte nun ihre entfernten Verwandten hier in Canmore. Welch' Glück für uns beide, denn in den nächsten Wochen sollten wir viel Zeit miteinander verbringen. Unbezahlbar wurde auch der Kontakt zu „Barb“ und „Peter“, bei denen sie untergebracht war und die bald für die Zeit meines Aufenthaltes in Canmore zu meinen „kanadischen Ersatzeltern“ wurden.

Doch die ersten Wochen waren zäh. So richtig konnte ich mich nicht daran gewöhnen, nicht mehr ständig unterwegs zu sein. Nach wenigen Tagen langweilte ich mich bereits, obwohl ich mich mit dem Schreiben zahlreicher Reiseberichte, für die ich während der Fahrt keine Zeit gefunden hatte, hätte befassen können. 

Ich fand zunächst keinen Kontakt zur Außenwelt, wollte auch nicht wirklich auf neue Menschen treffen. Stattdessen verzog ich mich in das Gästezimmer meiner Gastgeber und steckte meinen Kopf ins riesige Daunenkissen, bis man mich zum Abendessen rief. Die innere Leere und Ratlosigkeit sollte mich für ein paar Wochen in ihrem eisernen Griff haben. Erst als ich als „house-sitterin“ in mein erstes Haus zog, welches ein paar Straßen von meinen Gastgebern entfernt ist, fand ich langsam wieder zu mir selbst und konnte die kommenden Monate gedanklich in Angriff nehmen.

Mir wurde auch schon ans Herz gelegt, doch „nach Hause zu fliegen“ und im kommenden Frühjahr wieder zu kommen und meine Reise dann in Richtung Norden fortzusetzen. Doch so schnell wollte ich mich nicht geschlagen geben. Ich war nicht 30.000 km geradelt, nur um festzustellen, dass ich Kanada wie geplant im Winter erreichen und dann nach Hause fliegen würde. Nein, ich hatte mir diesen Schritt schon in Mexiko gründlich überlegt. Durch meine zusätzlichen Kilometer in „Arizona“ und „Utah“, mit dem Erkunden der dortigen Nationalparks, hatte ich nicht nur großartige Erfahrungen gesammelt, sondern im Hinblick auf meine weitere Route nach Norden auch viel wertvolle Zeit verloren. Ich wollte die Länder, Landschaften und Menschen genießen und richtig kennenlernen. Einfach nur „durchfahren“, um von dem südlichsten Punkt Amerikas zum nördlichsten gefahren zu sein, kam für mich nicht in Frage. Und dass Kanada und auch Alaska noch viel mehr zu bieten haben, davon habe ich schon von zahlreichen anderen Radfahrern und Freunden gehört. Eine „Eil-Fahrt“ durch diese beiden Länder kam daher ebenfalls nicht in Frage. Außerdem stand doch der Winter bevor. Selbst wenn ich mich jetzt, Mitte Oktober, beeilen würde, um die Spitze Alaskas zu erreichen, würde ich mit absoluter Sicherheit in die ersten Schneestürme hineinfahren. Weder mein Fahrrad, noch meine Campingausrüstung und ich selber waren dazu in der Lage. Die einzige Lösung lag daher in der Überwinterung in Kanada.

Schon immer wollte ich einmal einen Winter in einem Land verbringen, wo sich tiefer Schnee über die Landschaft legt und die Natur zum Erstarren bringt. Wie mag die Umgebung dann aussehen? Wie kalt fühlen sich zweistellige Minusgrade wirklich an? Was machen die Einwohner in dieser Zeit? Ich war neugierig auf diese für mich unbekannten äußeren Umstände. Im Westen Deutschlands schneit es doch höchstens für ein paar Tage im Jahr und meist bleibt von den nassen Flocken nicht viel liegen. Auf den Straßen bricht dagegen das Chaos aus und alles versinkt in tiefbraunem Matsch. An Skifahren ist nicht zu denken. Als Kind hatte ich gemeinsam mit meinen Brüdern einen alten Holzrodelschlitten, den wir bei wenigen Zentimetern Schnee ein paar Mal aus der Garage geholt haben. Doch zum Skifahren hätte man weiter in Richtung Süden, in die Nähe der Alpen fahren müssen und dazu fehlten einerseits die Zeit und andererseits der Familie die finanziellen Mittel, um mit vier Kindern einen Urlaub im Schnee erleben zu können. Zwei Mal war ich mit der Schule bzw. mit Freunden zum Snowboarden in einem richtigen Skigebiet gewesen. Jetzt, mit bald 25 Jahren, wollte ich endlich lernen auf zwei Brettern den Hang hinunterzugleiten. Die Vorfreude auf den kommenden Winter war größer als je zuvor und doch stellten mich die bevorstehenden kalten Temperaturen auch gleich vor die nächsten Probleme.  

Natürlich hatte ich keine Skihose im Gepäck. Eine Daunenjacke? Fehlanzeige. Mit drei Paar Socken, einer Hose und zwei Shirts sah es ebenfalls etwas karg in meinem Kleidersortiment aus. Doch bislang hatte ich nicht mehr gebraucht. Nein – jedes Gramm zu viel hatte mich langsamer werden lassen und so wurde immer rigoros aussortiert. Jetzt brauchte ich dagegen händeringend ein paar warme Klamotten.

Wieder halfen mir meine Gastgeber, Freunde meiner Gastgeber und neue Bekannte aus Canmore aus. Über die Gastfreundschaft der Kanadier kann ich nur mit offenem Munde staunen und würde mir dasselbe auch für Deutschland wünschen. Wer weiß, vielleicht muss ich es daheim einfach nur mal ausprobieren. Doch so recht kann ich mir das nicht vorstellen und an fremde Häuser Türen klopfen, um nach etwas Warmen zum Anziehen zu fragen. Eine rosafarbene Daunenjacke sollte zu meinem wertvollsten Kleidungsstück für die kalten Tage werden und die Skihose fand ich in einem Second Hand Geschäft für gerade einmal 20 kanadische Dollar (15 Euro).

Über „kijiji“, Kanadas Online-Handelsplattform Nummer Eins, geriet ich in Kontakt mit „Beckie Scott“. Zunächst wusste ich gar nicht mit welcher herausragenden Persönlichkeit ich es zu tun hatte. Doch wenig später stand sie vor mir. Die Goldmedaillengewinnerin im Skilanglauf-Verfolgungsrennen der Olympischen Spiele 2002 in Salt Lake City. Verheiratet mit „Justin Wadsworth“, dem aktuellen Chefcoach des kanadischen Cross Country Ski Nationalteams. Die beiden haben zwei wunderbare Kinder, mit denen ich in den nächsten Monaten viel Zeit verbringen würde. Den Fünfjährigen „Teo“ und die dreijährige „Brynn“ schloss ich sofort in mein Herz. Während ich in ihrem Haus nun ein und ausging, bekam ich zwei Paar Skis für meine Freizeit. Zunächst erlernte ich den klassischen Skilanglauf und kurze Zeit später die modernere Art des „Skatings“.

Barb und Peter halfen mir dabei, meine ersten Schritte auf Skiern zu gehen, nahmen mich mit zu zahlreichen Langlaufstrecken in der Umgebung und zeigten mir eine bis dahin völlig unbekannte Welt des Wintersports. Bei meinem allerersten, noch sehr wackeligen Versuch auf den schmalen Langlaufskis verlor ich gleich in der ersten Abfahrt das Gleichgewicht, konnte die Skier und mich nicht rechtzeitig zum Stehen bringen und fuhr Peter gnadenlos um. Beide mussten wir danach herzhaft lachen. So etwas war ihm, dem erfahrenen Skifahrer, der auch einmal Skilehrer gewesen ist, schon lange nicht mehr passiert. Mit der Zeit wurde mein Können allerdings besser. Von Mal zu Mal fiel ich weniger hin. Die blauen Flecken an meinem Hinterteil verfärbten sich zunächst grünlich, dann wechselten sie ins Gelbliche und schließlich war alles wieder normal. Es ist unwahrscheinlich wie viel Spaß dieser Sport machen kann. Das Skigebiet des „Nordic Center“ wurde zu meiner regelmäßigen Anlaufstelle, doch die gespurten Wege im naheliegenden Nationalpark sind kaum zu übertreffen. Mitten durch eine verschneite Winterlandschaft, an zugefrorenen Seen vorbei. Mit den Skiern unter den Füßen kann man ganz schön weit vorankommen und die teilweise zweistelligen Minusgrade spürt man dabei kaum. Man ist ja immer in Bewegung.

Mitte Dezember fand der „Ski Cross Country World Cup“ in Canmore statt. Ein hervorragendes Event, dass Skiläufer aus allen Nationen lockt. Ich hatte die einzigartige Möglichkeit hautnah an der Strecke dabei zu sein und die Athleten mit ihren Teams und Trainern zu sehen. Nach dem ersten Durchgang der Männer musste ich dann allerdings mit einer vor Müdigkeit schreienden Brynn auf meinem Rücken den Heimweg antreten. Gerade als ich mit der Kleinen über die Absperrung husche winkt mir Justin, ihr Vater und Nationalcoach, grüßend hinter her. Die Geste bestätigt mir mal wieder, dass die Kanadier meiner Meinung nach ziemlich „gelassen drauf sind“ und selbst Fremde, wie ich es ja nun einmal hier bin, ohne große Umschweife in ihren Kreis aufnehmen.

Meine zweite Anlaufstelle in der Umgebung ist die „Mount Engadine Lodge“, auf der ich meine letzte Nacht vor dem Eintreffen in „Banff“ verbracht hatte. Wenige Wochen später, nachdem ich mich in Canmore nieder gelassen hatte, bekam ich eine E-Mail von den beiden Gastwirten „Shari-Lynn“ und „Chris“. Seitdem komme ich mal nur für ein Wochenende, mal für mehrere Wochen am Stück auf die Lodge zurück. Mein Tag beginnt morgens um 07:00 Uhr. Ich bereite das Frühstück für die Gäste vor, die sich zunächst mit Müsli, Fruchtsalat und Joghurt bedienen können. Wenig später wird ein warmer Speisegang nachgelegt. Eier, Speck, frische Muffins – jeden Tag variiert das Angebot, das allein in „Carol's“ Kochkunst-Händen liegt. Nachdem die Tische abgedeckt und die Küche aufgeräumt ist, beginnt ein Rundgang in die Gästezimmer. Drei großzügige Räume befinden sich über dem Aufenthalts- und Essbereich des Hauptgebäudes. Zwei wunderschöne „Suiten“ bieten viel Platz für ein ganz besonderes Urlaubserlebnis und außerhalb des Hauptgebäudes befinden sich noch drei weitere Unterkünfte, die im Stil von kleinen „Chalets“, Holzhäusern, angelegt sind. Ist die Lodge ausgebucht befinden sich 19 Personen auf dem Gelände. Eine überschaubare Anzahl an Gästen, was einen persönlichen Kontakt zu jedem Einzelnen garantieren.

Mir gefällt es hier. Nachdem die Zimmer gereinigt, das Feuerholz gehackt und die Brownies im Ofen sind, habe ich den gesamten Nachmittag zur freien Verfügung und kann draußen im Schnee spielen gehen. Mal ziehe ich klobige Schneeschuhe über meine Wanderschuhe und stiefele los. Dabei kann man trotz dieser Hilfe ganz plötzlich bis zur Hüfte im Tiefschnee versinken. Ein anderes Mal geht es zum Langlaufen zum nahe gelegenen „Mount Shark“. Alleine muss ich nur selten losziehen. Gerne begleiten mich die „Staff-member“ (Angestellten): Jojo, Linda, Kelli oder Sally, bei meinen Unternehmungen. Mit kalten Fingern und Füßen kehren wir nach einigen Stunden zur Lodge zurück und ein großes „Afternoon-tea-buffet“ erwartet uns. Lieber herzhaft oder süß? Hier ist für jeden etwas dabei und man muss sich zurückhalten, um vor dem Abendessen nicht zu viel genascht zu haben.

Um 17:00 Uhr geht es dann weiter. Am ersten Tag bereite ich den Salat zu, am darauf folgenden decke ich den Tisch. Wir wechseln uns immer ab, damit die Pflichten nicht zu eintönig werden. Das Abendessen ist jedes Mal ein schmackhaftes, farbenfrohes Buffet und oft sitzen die Gäste noch Stunden an den Gemeinschaftstischen beisammen. In der Küche wirbelt dann der letzte Aufmarsch des Tages. Wir polieren das Besteck bis auch die letzte Gabel wieder glänzt und die Küche wie neu aussieht. Nur damit es am nächsten Morgen wieder von vorne beginnen kann.

Weihnachten verbringe ich daher im Kreise einer „großen Familie“. Die Lodge ist ausgebucht und wir haben einen großen Tannenbaum in den Aufenthaltsraum gestellt. Am Abend liegen sogar ein paar Geschenke für mich darunter und ich hätte mir das Fest der Liebe, so fern von meinen Allerliebsten aus Deutschland, nicht schöner vorstellen können. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass man mich hier einfach so aufgenommen und ins Team integriert hat. Ein Glückstreffer!

Meinen 25. Geburtstag verbringe ich in den kanadischen Rocky Mountains. „Sonja“, das deutsche Mädchen, das ich bei meiner Ankunft im Oktober letzten Jahres schon kennen gelernt habe, ist zum Skifahren wieder gekommen und auch „Christina“, eine deutsche Freundin von Barb und Peter ist ebenfalls da. Gemeinsam machen wir uns zu viert auf den Weg ins Skigebiet. Nun heißt es „Downhill“-Skifahren. Also Abfahrtsski. Wenn ich einem Kanadier hier erzähle, dass ich aus Deutschland komme und nicht Ski fahren kann, fallen meinem Gegenüber regelmäßig die Augen aus. Für sie scheint es das nicht zu geben. Hier werden die Kinder sobald sie laufen können auf die Bretter gestellt und aus Deutschland scheint man nur den südlichen Teil in der Nähe der weltberühmten Alpen zu kennen, sodass es für sie unbegreiflich ist, dass ich das elementarste Wintervergnügen nicht beherrsche. Doch auch hier zeigt mir Barb wie ich den Schneepflug richtig ansetze und mein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagere während ich eine Kurve fahre. Ein bisschen Erfahrung hab ich ja nun auch schon gesammelt und so kann es nach einigen Versuchen munter den Hügel hinab gehen. Als ich am zweiten Tag jedoch versehentlich auf eine schwarze Piste geführt werde, ist mir der Hang dann doch zu steil und ich schnalle die Skier lieber ab. Meine Beine will ich mir ungern brechen, denn im Frühjahr soll es doch auf dem Fahrrad weiter gehen. Sogleich kommt die „Ski-Patrol“ (Pistenrettung) vorbei und fragt, ob mit mir alles in Ordnung sei - sehr aufmerksam.

Das Skigebiet „Sunshine“ bietet bei einem klaren Tag eine herrliche Aussicht auf die umliegenden Berge der kanadischen Rocky Mountains. Mit 3618 m ist „Mount Assiniboine“ der höchste Gipfel im südlichen Teil der Rockies. Aufgrund seiner pyramidenartigen Form wird er oft als das „Matterhorn“ der Rocky Mountains bezeichnet. Mit dem Ausblick auf diesen Berg den Hang hinabzufahren ist unglaublich schön. Überhaupt gefällt mir der Wintersport sehr und schon jetzt weiß ich, dass ich ihn vermissen werde -  im kommenden Winter, wenn ich wieder zu Hause in Deutschland bin. Doch wer weiß, im Süden Deutschlands wollte ich mich sowie einmal genauer umgucken…

Trotz allem gibt es sie auch: die Tage an denen ich mich frage, was ich hier eigentlich mache. Der Winter scheint nicht enden zu wollen und dabei wollte ich doch nur eine Pause einlegen und bei dem ersten schönen Frühlingswetter wieder im Sattel sitzen. Fast 7 Monate bin ich nun hier! Mir fehlt das Unterwegssein, das Reisen, das Zelten, die Unabhängigkeit. Ohne Auto ist man hier selbst innerhalb des Ortes aufgeschmissen. Die Strecken sind einfach unwahrscheinlich weit. Mal eben zum Skigebiet dauert allein schon mit dem Auto 45 Minuten. Das Nordic Center ist dagegen nur 15 Minuten entfernt, doch die Skier kann ich schlecht auf dem Rad durch den Schnee transportieren. Immer wieder bin ich darauf angewiesen, dass Andere mich mitnehmen. Vor allem Barb und Peter erfüllen mir diesen Wunsch. Was würde ich nur ohne die Beiden hier machen?! Ihnen bin ich zutiefst dankbar. Ohne sie wäre mein Aufenthalt in Kanada sicherlich nicht zu einem solch schönen Erlebnis meiner Reise geworden.

Des Öfteren vertreibe ich mir die Zeit mit Häuser putzen und Babysitten. Es dauert eine ganze Weile, bis ich weiß, wo in jedem einzelnen Haushalt die Staubsauger, Lappen und Putzmittel zu finden sind. Am Anfang tue ich mich schwer mit dem Reinigen von zahlreichen Zimmern, Küchen, Bädern und Garagen. Niemals zuvor habe ich derart „schrubben“ müssen. Doch mit der Zeit verwandele ich mich in eine professionelle Putzfrau. Kein Anblick in eine Toilette kann mich mehr schocken. Ich weiß, welcher Lappen für welche Oberfläche mit welchem Putzmittel reine Wunder bewirken kann und blicke nach einigen Stunden auf eine blitzblanke Wohnung zurück. Ein schönes Gefühl.

In mehreren Familien springe ich zum Babysitten ein. Vom Säugling bis zum 12jährigen sind fast alle Altersgruppen vertreten. Mal knete ich mit ihnen, mal spiele ich mit Autos oder Puppen. Ein Dinosaurier-Memory hat es mir besonders angetan. Bald kann ich alle Fachbezeichnungen der Tiere auswendig und der Kleine achtet dabei besonders darauf, dass ich sie auch richtig ausspreche. Gar nicht so einfach bei Zungenbrechern wie: „Brachiosaurus“, „Hypsilophodon“ oder „Velociraptor“. Auf Deutsch kein Problem, doch versucht es einmal auf Englisch! ;-)  

Neben all den Aktivitäten bleibt dennoch viel Zeit zum Nachdenken. Meine Reise durch Süd- und Zentralamerika erscheint mir mit der fortschreitenden Zeit, die ich hier verbringe, immer weiter entfernt. Manchmal kann ich selber kaum glauben, dass ich tatsächlich bereits knappe 30.000 km zurückgelegt habe und durch 15 Länder gefahren bin. Mit Vorfreude sitze ich über Karten von Kanada und Alaska und arbeite meine bevorstehende Route aus. Immer wieder driften meine Gedanken jedoch in Richtung Zukunft ab. Was kommt nach der Reise? Die Frage will mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Für einen Außenstehenden mag vielleicht noch viel Strecke vor mir liegen, bis ich mein Ziel der Spitze Alaska erreicht habe, doch auf mich selber wirkt es eher wie ein Katzensprung. Ich kann mir nicht vorstellen mich nach dem Sommer in den Flieger zu setzen und im Grunde genommen in Deutschland wieder „ausgespuckt“ zu werden. Ein Flug über mehrere Stunden und „schwups“ bin ich daheim. Ich fühle mich nicht bereit dazu, meine Reise so abrupt und radikal enden zu lassen. Nein, ich will per Fahrrad nach Hause fahren! Mein Fahrrad vor der Mietwohnung meiner Eltern abstellen und selber meine Taschen hineintragen. Ich brauche einige Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen wieder in Deutschland zu sein und zumindest vorerst wieder bei meinen Eltern zu leben. Zeit, die ich damit gewinnen werde, wenn ich von Alaska einen Flug nach Portugal nehmen und durch Europa zurück in die Heimat fahren werde. Nachdem ich den Doppelkontinent Amerika von Süd nach Nord durchquert habe, werde ich von der westlichsten Spitze Europas den Heimweg antreten. Voraussichtlich wird das weitere 3 Monate beanspruchen, sodass ich etwa im November 2013 in „Willich“, im „Rehweg“ einrollen sollte.

Ungläubig schweift mein Blick am Morgen meist direkt zum Fenster. Mittlerweile ist es Ende April. Letzte Woche ist der Schnee vor meiner Haustüre endlich geschmolzen, doch das heißt nicht, dass morgen nicht wieder welcher dort liegen könnte. Eine wunderschöne Woche im März täuschte mich schon einmal. Bei strahlend blauem Himmel, Sonnenschein und Temperaturen um die 10 °C, dachte ich, dass der Frühling tatsächlich gekommen sei. Nach wenigen Tagen war es dann aber wieder vorbei mit diesem Wetterhoch. Seitdem ist es zumeist bewölkt, windig, regnerisch und nachts fallen die Temperaturen öfters noch unter den Gefrierpunkt. Die Landschaft ist braun. An den Bäumen sind keine Knospen zu sehen und von Blumen fehlt jegliche Spur. Soll das wirklich Frühling sein? Bei dem orkanartigen Wind heute hätte ich eher an Herbst gedacht, hätte mir ein Blick auf den Kalender nicht den 28.04.2013 angezeigt.

Ab Samstag den 04.05.2013 soll das Wetter gut werden, zumindest für die folgenden fünf Tage. Dieser Tag wird mein Startschuss sein. Als höchstwahrscheinlich erste 25-jährige Solo-Fahrrad-Reisende werde ich mich auf den Weg nach Jasper machen. Die Traumstraße der Welt ruft: der „Icefields Parkway“. Von hier in Canmore aus sind es gute 300 km bis ich Jasper erreicht haben werde. Dann liegen die kanadischen Rocky Mountains hinter mir und es sollte etwas frühlingshafter sein. Warten wir es ab…

In den kommenden letzten Tagen heißt es nun Abschied nehmen. Abschied von neu gewonnenen Freunden. Abschied von einer festen Bleibe, ja einem nahezu sesshaften Leben. Es geht wieder raus in die Natur. Ob ich noch weiß, wie ich das Zelt aufstellen muss? Den Kocher ans Laufen bringe? Ich denke schon… doch die ersten Tage werden auch anstrengend werden. Eine Anstrengung auf die ich mich freue. Endlich geht es weiter, endlich auf mein Rad zurück. Ganz bald werde ich Alaska sehen, das letzte Land auf dem amerikanischen Kontinent. So ganz mag ich es noch kaum glauben.

Vieles werde ich jedoch auch vermissen hier in Canmore und schon jetzt weiß ich, dass ich in naher oder ferner Zukunft wieder herkommen werde.

Ohne liebe, hilfsbereite Einwohner dieser Stadt hätte ich niemals meinen Winter so gestalten können, wie ich es getan habe. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meinen Freunden in Kanada bedanken! Allen voran Barb und Peter Jungmann sowie Heather und Jörg Wilz.

Neue Fahrradmäntel sind aufgezogen, das Ritzel und vordere Kettenblatt getauscht. Eine nagelneue Kette läuft leise über die blitzenden Zahnräder. Im Gepäck befindet sich eine knallorange Regenjacke und für kalte Nächte auch eine leichte Daunenjacke. Ich bin gewappnet – der letzte Teil der Reise bricht an. Kommt mit mir auf eine Fahrt durch Kanada und Alaska. Ab September dann durch Europa. Ich freue mich darauf, in meinem Blog im Internet die kommenden Abenteuer mit euch zu teilen. Bis ganz bald!!!

Comments

Hope everything is going just the way you want it. From Mario, on Apr 11, 2013 at 05:49AM
Herzliche Grüße aus Duisburg. Ich bin durch einen Zeitungsartikel in der WAZ auf Deinen Blog aufmerksam geworden. Eine tolle Reise. Jetzt hab ich erst mal viel zu lesen. Wünsche Dir alles Gute für die weitere Reise und freue mich über neue Blogeinträge. From Robert, on May 28, 2013 at 07:46AM
Danke für die lieben Grüße aus Duisburg!
Hiermit sende ich ganz liebe Grüße aus dem Yukon zurück ;-) From Swinde, on May 29, 2013 at 04:49AM
Ein Bekannter aus Karst hatte mir erst heute den Blog geschickt. Alle Hochachtung das ein junges Mädchen den Mut hat so eine Reise zu machen. Ich kenne Canmore sehr gut denn ich habe früher in Calgary gewohnt und wohne jetzt in Lethbridge Alberta. Ich bin in Dortmund geboren und lebe seit 1951 in Alberta. Herzliche Grüsse Fred. From Fred Siewert, on Feb 28, 2014 at 05:29PM

Pictures & Video

Ausblick über Banff
Ausblick über Banff
Banff Umgebung, Ende Oktober
Banff Umgebung, Ende Oktober
zusammen mit Sonja unterwegs
zusammen mit Sonja unterwegs
Hot Springs in der Nähe von Revelstoke
Hot Springs in der Nähe von Revelstoke
Wanderung: Healy Pass
Wanderung: Healy Pass
Wandergruppe: Healy Pass
Wandergruppe: Healy Pass
Halloween 2012 leicht böse geworden...
leicht böse geworden...
Schneewanderung: West Wind Pass
Schneewanderung: West Wind Pass
Ausblick, West Wind Pass
Ausblick, West Wind Pass
durch 30 cm Schnee, Anfang November
durch 30 cm Schnee, Anfang November
Kanada ist wunderschön!
Kanada ist wunderschön!
Wandergruppe: West Wind Pass
Wandergruppe: West Wind Pass
Barb unterwegs Ausblick: West Wind Pass
Ausblick: West Wind Pass
ihm ist es etwas zu kalt geworden
ihm ist es etwas zu kalt geworden
mein erster Versuch auf Cross Country Ski's
mein erster Versuch auf Cross Country Ski's
Hirsch direkt am Wegesrand
Hirsch direkt am Wegesrand
Ausflug: Cascade Fireroad
Ausflug: Cascade Fireroad
Lake Louise, downhill area
Lake Louise, downhill area
Ausblick von der Spitze
Ausblick von der Spitze
Ski Lodge Lake Louise, Alpine Ski World Cup
Lake Louise, Alpine Ski World Cup
erster Tag auf dem Snowboard
erster Tag auf dem Snowboard
Lake Minnewanke Eiszapfen wie kleine Glasfiguren
wie kleine Glasfiguren
Two Jack Lake Two Jake Lake, kurz bevor Sonnenaufgang
Two Jake Lake, kurz bevor Sonnenaufgang
Weihnachten naht Ski Cross Country World Cup
Ski Cross Country World Cup
Eisstatur einmal Hände wärmen ;-)
einmal Hände wärmen ;-)
Canadian Pacific Holiday Train
Canadian Pacific Holiday Train
Canadian Pacific Holiday Train
Canadian Pacific Holiday Train
Canadian Pacific Holiday Train
Canadian Pacific Holiday Train
ich wünsche allen: ein frohes Fest!!!
ich wünsche allen: ein frohes Fest!!!
Ski Cross Country World Cup, Damen
Ski Cross Country World Cup, Damen
deutsches Team Massenstart der Männer
Massenstart der Männer
Massenstart der Männer
Massenstart der Männer
auf geht's Mount Engadine Lodge
Mount Engadine Lodge
Rundblick Merry X-Mas!!! Snow-Shoeing macht richtig Spaß!
macht richtig Spaß!
am Nachmittag auf zum nächsten Snowshoe-Adventure
auf zum nächsten Snowshoe-Adventure
herrlich Aussicht am Pass angekommen
am Pass angekommen
Winterlandschaft Karst Springs Karst Springs Schneeflocken oh oh! aufgepasst!
oh oh! aufgepasst!
fast zu schön, um wahr zu sein
fast zu schön, um wahr zu sein
Mount Engadine Lodge
Mount Engadine Lodge
Linda und Carol in der Küche
Linda und Carol in der Küche
afternoon-tea is out ;-) hmmm
afternoon-tea is out ;-) hmmm
Nala - the cat Weihnachten mit Freunden
Weihnachten mit Freunden
kein Fahrrad - Schneeschuhe sind angesagt
kein Fahrrad - Schneeschuhe sind angesagt
Elephant Hill Burstall Pass Schneeschuhwandern mit dem Team von Engadine
Schneeschuhwandern mit dem Team von Engadine
Engadine Lodge - ein Paradies
Engadine Lodge - ein Paradies
mein Zuhause: Canmore
mein Zuhause: Canmore
Winter in den Rockies
Winter in den Rockies
Three Sisters 25. Geburtstag Ski-Outfit kein Fahrrad - Skis sind angesagt
kein Fahrrad - Skis sind angesagt
mein Trainer und fleißiger Ski-Wachser: Peter
mein Trainer und fleißiger Ski-Wachser: Peter
Downhill-skiing at "sunshine"
Downhill-skiing at "sunshine"
bester Ausblick beim Skifahren
bester Ausblick beim Skifahren
Barb zeigt mir wie es geht, DANKE!
Barb zeigt mir wie es geht, DANKE!
unterwegs auf dem "Goat Creek Trail" nach Banff
unterwegs auf dem "Goat Creek Trail" nach Banff
auf dem Gipfel von "Ha Ling"
auf dem Gipfel von "Ha Ling"
zusammen mit Barb
zusammen mit Barb
"Ha Ling" ist der Berg links
"Ha Ling" ist der Berg links
endlich schmilzt das Eis...
endlich schmilzt das Eis...
Nacht Elche im Vorgarten
Elche im Vorgarten
Comments:
Kein Elche sondern ein Waphiti hirsch.
Elch ist Moose in der Übersetzung
Waphiti ist Elk in der Übetsetzung. From Ulrich Fleger, on May 29, 2013 at 09:27AM
einige Tage vor meiner Abreise - Neuschnee
einige Tage vor meiner Abreise - Neuschnee
doch dann kommt die Sonne heraus
doch dann kommt die Sonne heraus
mein Sonnenschein: Brynn
mein Sonnenschein: Brynn
der Dinosaurier-Memory-Profi: Teo
der Dinosaurier-Memory-Profi: Teo
Mountain Sheep babysitting ;-) "Klein-Ella"
babysitting ;-) "Klein-Ella"
mit Kelli und Linda
mit Kelli und Linda
auf zum Helikopter-Flug, DANKE Dave!
auf zum Helikopter-Flug, DANKE Dave!
Rocky Mountains aus der Luft
Rocky Mountains aus der Luft
Three Sisters mein Zuhause für die vergangenen 7 Monate!
mein Zuhause für die vergangenen 7 Monate!
mit JoJo DANKE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Barb and Peter
DANKE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Barb and Peter
DANKE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!Heather und Jörg
DANKE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!Heather und Jörg
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