Ein dreifaches, kräftiges Rütteln an meiner einzigen Zeltstange und ein leises „Hola Senorita, Buenos Dias“ riss mich aus meinem tiefen Schlaf. Ein hastiger Blick auf die Uhr meines Fahrradtachos: exakt 05:15 Uhr, der Nachtwächter hatte mich folglich nicht vergessen.
In Windeseile packte ich meine schon am Abend zuvor bereitgelegten Sachen, ließ den Schlafsack und die Isomatte in ihren ordnungsgemäßen Packsäcken verschwinden, baute mein Zelt ab und verzurrte die fünf Taschen am Fahrrad. Die 2 Kilometer bis zur Hostalanlage von „Adventure Paradise“ legte ich im Dunkeln zurück und klingelte um 06:20 Uhr an der Eingangspforte, woraufhin mir der noch sehr verschlafen aussehende Tourguide öffnete.
Ich war die erste Teilnehmerin vor Ort, durfte zunächst einmal auf der Bank neben den fertig bereitstehenden Rucksäcken Platz nehmen und ließ mir meine zwei Käsebrote zum Frühstück schmecken. Es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis endlich alle 11 Teilnehmer eingetroffen und zusammengequetscht im kleinen Bus saßen, bevor es die grobe Schotterpiste den starken Vulkansockel hinaufging. Bei der Abfahrt in der Stadt zeigte sich das Wetter nicht gerade von seiner besten Seite, der Vulkan versteckte sich hinter tiefen Wolken und dichtem Nebel.
Je höher sich der Kleinbus jedoch emporquälte, umso klarer und sonniger wurde die Aussicht, bis die Vulkanspitze herausstach und unsere drei Tourguides grünes Licht für den Aufstieg gaben. Der erste Streckenabschnitt konnte wahlweise mit dem Skilift (gegen Aufpreisgebühr) oder zu Fuß bewältigt werden. Zusammen mit noch einer deutschen Teilnehmerin entschied ich mich fürs laufen, schließlich wollte ich einen Vulkan besteigen und dies auch von Beginn an...
So kam es, dass wir die ersten Kilometer einen privaten Guide hatten und erst später wieder, an der Schneegrenze, auf den Rest der dort pausierenden Gruppe, trafen. Wanderten wir bis dahin ausschließlich auf Schottersteinen, so wurden wir nun in den Umgang mit dem Eispickel eingewiesen, der sich bislang an unseren Rucksäcken befand. Im Gänsemarsch ging es nun stetig weiter empor, jeder einzelne Schritt ist von den hunderten Touristen, die tagtäglich den Vulkan besteigen, schon in den Schnee eingetreten, sodass der Eispickel nur zur zusätzlichen Sicherung benötigt wird. Nach einer kurzen Erholungspause konnte es weitergehen, 20 Minuten noch bis zum Kraterrand. Nebel- und Wolkenfelder zogen rasend schnell an uns vorbei, die Sicht änderte sich von Sekunde zu Sekunde, zudem wurde es nun steiler und lose Steine lösten die Schneefelder ab. „Rocca, Rocca“ schallt es dann den gesamten Vulkanhang hinab, wenn mal wieder jemand einen der zum Teil tellergroßen Steine ins Rollen gebracht hat und dieser mit rasender Geschwindigkeit auf die weiter unten kletternden Gruppen zustürzt.
Die Helmpflicht ist definitiv sinnvoll!
Nach circa fünf Stunden standen wir dann tatsächlich am Kraterrand, durften die Rucksäcke ablegen und zwanzig Minuten am 2.840m hohen Gipfel verweilen. Zunächst sahen wir jedoch erst einmal gar nichts, dichter Nebel hüllte uns und das Kraterinnere ein. Enttäuschung machte sich breit, da bläßt der Wind plötzlich die Kuppe frei und wir dürfen für wenige Augenblicke die farbigen Gesteinswände bewundern, ehe sie wieder von Nebel verdeckt werden.
Glühende Lava konnten wir zwar keine sehen, dennoch zeugten die Rauchwolken im Krater und der penetrante Schwefelgeruch von einer Vulkanaktivität. Herunter geht es über den steinigen Teil zunächst zu Fuß, die Schneepassagen werden dann auf dem Hosenboden rutschend, bewältigt. Extra dafür baumelte die ganze Zeit auch ein Plastikteller an unseren Rucksäcken, sodass der Rückweg einen heiden Spaß macht und wir in Windeseile wieder beim Skilift sind. Müde und mit einem dicken Sonnenbrand im Gesicht steigen wir in den Bus. Ich lasse mir meine restlichen Käsebote schmecken, schlummere ein wenig vor mich hin und bin in Gedanken schon längst wieder auf meinem Fahrrad, welches fertig gepackt bei der Agentur steht und darauf wartet mich heute noch ins 25 km entfernte Villarica zu bringen.
Zunächst gönne ich mir in der Stadt jedoch noch ein großes Eis, treffe auf ein radreisendes, schweitzer Pärchen und mache mich dann auf den Weg. Einmal auf die gegenüberliegende Seite des Lago Villarica und dann bin ich auch schon da, zelte im Vorgarten des Hostals „Torre Suiza“, welches von einem weltumradelnden Pärchen gegründet wurde und schlafe schnell tief und fest ein, meine Beine spüren die Anstrengungen des Tages deutlich.