Zusammengequetscht sitze ich gegen Mittag mit Alex, dem Piloten und noch einem weiteren
Fluggast sowie endlos viel Gepäck endlich im kleinen Flugzeug. Über zwei Stunden haben wir an der winzigen Landebahn in Tirúa warten müssen, da die Wetterbedingungen auf Isla Mocha zum Landen nicht geeignet waren, eine dichte Nebelwolke lag vor der Insel.
Nach einer knappen viertel Stunde setzt der Pilot dann auch zur Landung an, wir tauchen sanft in den Nebel ein und rollen über grasbewachsene Pflastersteine, ehe wir zum Stehen kommen, eine asphaltierte Landebahn gibt es nicht. Mehrere Personen warten auf den Rückflug nach Tirúa, doch niemand kann uns gezielte Informationen über die Wanderrouten geben, das Informationsbüro ist geschlossen und auch Alex weiß zunächst keinen Rat, obwohl er mir erzählt hatte, schon einmal ein paar Tage hier gewesen zu sein.
Meine Stimmung sinkt zunehmend, zuerst der späte Start am Morgen, wodurch wir einen Zeitverlust von einem halben Tag einbüßen müssen und nun der Mangel an Informationen.
So stiefele ich einfach mit meinem Trekkingrucksack auf dem Rücken los, so groß können die 52 km² der Insel ja auch nicht sein...
Nach wenigen Kilometern auf dem sandigen Pfad, der von Pferdekutschen und wenigen Autos benutzt wird, beginnt Alex zu meckern, wirft seinen zu schwer gepackten Rucksack in den Sand und verlangt erstmal nach einer Pause, dabei sind wir gerade einmal dreißig Minuten unterwegs!
In mir staut sich die Wut und ich bereue es schon, überhaupt auf die Insel geflogen zu sein. Missmutig trottet Alex weiter hinter mir her und stoppt das einzige Auto, welches uns überholt.
So gelangen wir schlussendlich zur winzigen Holzhütte der CONAF (Corporacion Nacional Forestal de Chile) am Eingang des Reserva Nacional Isla Mocha, wo wir auch endlich eine kleine Karte mit den Wanderwegen erhalten. Los geht’s, quer über die Insel den „Sendero Camino Nuevo“ entlang zum alten Leuchtturm (Faro Viejo), wo wir die Sonne ins Meer „schmelzen“ sehen können, ein wunderschönes Schauspiel!
Anschließend laufen wir zum einzig beleuchteten Haus in der näheren Umgebung und fragen, ob wir unsere Zelte in der Nähe aufstellen dürfen. Wir platzen mitten in eine Art improvisiertes Kino hinein, die gesamte Nachbarschaft sitzt vor dem Fernseher.
Während auch wir ein bisschen fern gucken, da der Film auf Englisch ist und mit spanischen Untertiteln versehen ist, bekommen wir ein leckeres Abendessen aufgetischt.
Nach der Sättigung verschwinden wir schnell, der ereignisreiche Tag hat uns beide einiges abverlangt.
Am nächsten Morgen eröffnet mir Alex, dass er die geplante Wanderung mit seinem schweren Rucksack nicht bewältigen kann, woraufhin wir unser Gepäck bei der Familie im Haus lassen und nur mit der Kamera und einer Flasche Wasser bewaffnet steil zur Laguna Hermosa
heraufwandern.
Der Pfad führt durch einheimischen, unberührten Naturwald, der vorwiegend aus Olivillo und Arrayanes besteht und einen außergewöhnlichen Wuchs und Größe aufweist, teilweise fühlen wir uns wie im Dschungel. Nach dreieinhalb Stunden haben wir das Schild zur Laguna Hermosa erreicht, doch leider können wir keine Laguna erkennen, jegliches Wasser fehlt, wir blicken in ein hoch mit Gras bewachsenes, flaches Becken, welches erahnen lässt, dass es nach Niederschlag mit Wasser gefüllt sein könnte. Etwas enttäuscht machen wir uns auf den Rückweg, den wir aufgrund des Abstiegs wesentlich schneller bewältigen, treffen wieder bei der
gastfreundlichen Familie ein, bei der uns sofort ofenfrisches Brot mit Butter gereicht wird und organisieren unsere Rückkehr nach Tirua. Mit dem Pferdetransport geht es schließlich zum kleinen Hafen, an herrlich weißen Sandstränden entlang. Wir haben Glück, zufällig legt gerade eine Lancha (= Boot) an, doch bis wir an Board gehen können, vergeht noch eine ganze Weile, zunächst werden sämtliche Materialien an Land gebracht, bevor das Boot erneut beladen wird, diesmal mit ca. zwanzig wartenden Kühen, die über einen Lastkran an Board gehievt werden, sowie mit zahlreichen Säcken voller getrockneter Algen. Zu guter Letzt dürfen wir auf das Boot
springen und machen es uns auf den Algensäcken bequem, drei einhalb Stunden Fahrt über einen spiegelglatten Ozean erwarten uns, bis kurz vor Tirúa eine riesige Welle aufs Heck schwappt und ich mich gerade so eben noch in die Holzkajüte retten kann.
Im Stockdunkeln erreichen wir Tirúa und treffen uns nach einer heißen Dusche im Haus der Großmutter von Alex noch mit zwei Freunden bei einem Bierchen am Strand. Plötzlich leuchten Scheinwerfer den Strand ab und alle gehen schnell in Deckung, es ist die Polizei, die nach in
der Öffentlichkeit Alkohol trinkenden Personen Ausschau hält. Mein Herz bleibt fast stehen, die Dose stelle ich beiseite und ducke mich ebenfalls. Kaum vorstellbar für mich, schließlich sind wir alle über zwanzig Jahre alt... aber Alkoholverzehr in der Öffentlichkeit ist seit langen Jahren in Chile per Gesetz unter Strafe gestellt.
Nun weiß ich auch darüber Bescheid!