Valparaiso – Parque National La Campana – Los Andes – Portillo – Uspallata – Mendoza
Eine geschlagene Woche musste ich in Valparaiso verweilen, um meine alten Kameraobjektive wiederzubekommen. Die Stadt hat sich im positiven Sinne tief in mein Herz gebrannt, doch die erneute Zwangspause auch in Verbindung mit dem immer fortschreitenderem Herbst, schlug mir etwas auf die Seele. So war ich froh, als ich endlich meine Taschen packen konnte!
Das gesamte Hostal half mir beim Runtertragen meiner Sachen zum Fahrrad und schon konnte es losgehen, an der Küste entlang. Vina del Mar, Renaca und Concon, jeweils mit vielen unschönen Hotelbauten am Strand, ließ ich schnell hinter mir und fuhr wieder auf die autobahnähnliche Straße Richtung Ocoa. Kurz bevor ich die Ausfahrt nehmen konnte, deckte ich mich noch schnell mit Obst und Brot für die nächsten zwei Tage ein und nahm die letzten Schotterkilometer zum Nationalpark in Angriff. Der Nationalpark „La Campana" schützt die letzten Bestände der Chilepalme. Es war bereits 17:30 Uhr und die Guardaparque-Mitarbeiter kamen mir schon auf ihren Motocross-Motorrädern entgegengefahren. Eigentlich sei der Park schon geschlossen, doch es sei kein Problem, dass ich mein Zelt auf einem der eingerichteten Campingplätze aufschlagen würde. Gerade eben diese für mich erlösenden Worte ausgesprochen, da knatterten sie auch schon wieder davon. Ich konnte noch einen ersten Blick auf die rotblühenden Kakteen und Palmen werfen, entdeckte keine 5 Meter von mir entfernt einen Fuchs und schon war es dunkel…
Die Sonne am Morgen weckte mich, plötzlich sah doch alles ganz anders aus, wie am grauen Tag zuvor. Ich begrüßte die Parkmitarbeiter, bezahlte meinen Eintritt und machte mich zu einer 2 ½ stündigen Wanderung Richtung „El Amasijo“, dem Palmenwald, auf den Weg.
Mit der drückenden Zeit im Nacken beeilte ich mich gegen 12:30 Uhr meine immerhin noch 70km nach Los Andes anzugehen und traf sogleich auf den dänischen Leichtathlet, Jesper Olsen, der sich momentan auf dem Weg von Süd- nach Nordamerika befindet. Wohlgemerkt RENNT/JOGGT er die Distanz, wobei er jeden Tag um die 40 Kilometer zurücklegt, was einer vollständigen Marathondistanz entspricht. Jeweils einmal im Monat gönnt er sich einen Ruhetag (schaut mal unter: www.worldrun.org). Soeben die Anden hinter sich gelassen, konnte er mir gute Tipps bezüglich des bevorstehenden Passes, „Los Libertadores“ geben, bevor er seinen Weg in Richtung Norden fortsetzte. Später hinterließ er mir noch einen lieben Gruß in meinem Gästebuch, worüber ich mich sehr gefreut habe.
Den Blick auf die gigantischen Berge gerichtet, welche teilweise schon mit etwas Schnee bedeckt waren, fuhr auch ich weiter nach Los Andes. Die in meinem Radreiseführer angegebene „Casa de Ciclistas“ existierte zwar leider nicht mehr, jedoch ließ mich der französische Inhaber, Eric Savard, der örtlichen „Clinica Veterinaria“ (=Tierarztklinik) in einem seiner Praxisräume übernachten. Mit Sicherheit der bislang skurrilste Schlafplatz meiner Reise.
Anderntags ging es früh los, die große Andenüberquerung stand auf dem Plan.
Leider zeigte sich das Wetter nicht gerade von seiner besten Seite, alles in grau gehüllt und dazu ein frischer Wind. In Rio Blanco, dem letzten Örtchen vor dem steilen Anstieg stärkte ich mich nochmal mit einem „Clompeto“ (Hot Dog), einer Cola sowie einem Schokoriegel und dann konnte es auch schon losgehen. 1500 zu bewältigende Höhenmeter auf den nächsten 25 Kilometern! Neben den ebenfalls sehr langsamen LKW's schlich ich mich die Straße hinauf, teilweise über 10%ige Steigung galt es mitsamt meinem ganzen Fahrradgepäck zu überwinden. Gegen 15 Uhr erreichte ich die berühmten 29 Spitzenkehren, die die Moränenhalde überwinden. Von unten sahen die Transporter wie kleine Spielzeugautos aus, die sich in die Höhe schrauben oder ihren Weg nach unten bahnen. Von den ca. 50 zuvor schon zurückgelegten Kilometern noch völlig geschlaucht, trat ich den letzten 10 Kilometern feste entgegen. Die ersten beiden Kurven raubten mir fast den Atem und ließen mich an meinem Vorhaben Zweifel hegen. Ganz langsam, mit durchschnittlichen 3,5 km/h erkämpfte ich mir Kurve für Kurve, feuerte mich insgeheim selber an und erblickte trotz des kalten Windes völlig durchgeschwitzt Kurve Nummer 29, meine Rettung. Zugleich befand sich an dieser Stelle auch noch eine Baustelle, sodass ich ein wenig verschnaufen konnte und die Kälte nun ebenfalls zu spüren bekam. Der den Verkehr regelnde Bauarbeiter hatte sich derweil ein Lagerfeuer in seiner Schutzhütte entzündet. Die allerletzten 100 Meter nach Portillo, einem berühmten Skizentrum, musste ich dann schieben, es ging weiterhin berghoch und meine Beine wollten einfach nicht mehr weiter. Das Sporthotel kam in Sicht und nachdem ich die Eingangstür geöffnet hatte, ließ ich mich erschöpft auf den gepolsterten Lehnsessel der Empfangshalle fallen. 89 US-Dollar für eine Nacht und auch auf bettelnde Nachfrage meinerseits gab es keinen Radlerrabatt. Zunächst einmal ließ ich mir jedoch eine extra große Portion Pommes, sieben Käse-Empanadas und eine heiße Schokolade schmecken. Dies hatte ich mir redlich verdient, 2096 geradelte Höhenmeter lagen hinter mir. Vom Nachbartisch wurde mir derweil ein Foto von mir gezeigt, wie ich den Anstieg meisterte. Die Nacht durfte ich dann an der „Laguna del Inca“ zeltend verbringen. Ein Polizist half mir rasch, mein Zelt nochmal an einer windgeschützteren Stelle aufzubauen, ich genoss einen von der untergehenden Sonne rot-/pinkgefärbten Himmel und dann galt es sich auch schon schlafen zu legen. Diesmal auf 2778 m Höhe!
Ein eisigkalter Morgen erweckte mich, der Tacho zeigte mir 1°C an. Doch der Himmel war blau und so arbeitete ich mich die nächsten Kilometer im kleinsten Gang dem Gipfel entgegen. Viele LKW-Fahrer streckten mir den in die Höhe gereckten Daumen entgegen, sie wissen meine Leistung zu schätzen, schließlich haben sie mit ihren schwer beladenen Trucks ebenfalls genug zu kämpfen. Und plötzlich war ich dann oben, erblickte den Tunneleingang und wurde auch sofort vom dortigen Personal gesehen. Der Pickup aus der Garage geholt, mein Rad samt Gepäck verfrachtet und schon ging es durch die dunkle Röhre, die für Radfahrer absolut gesperrt ist. 3185m Passhöhe, noch nie zuvor habe ich mich in einer solchen Höhe bewegt, geschweige denn, dass ich dort Fahrrad gefahren bin. Wenige Minuten später durfte ich dann auch schon wieder aufladen und von da an ging es bergab! ;-)
In Las Cuevas belohnte ich mich mit einer heißen Schokolade, fuhr am Aconcagua entlang, dem mit 6959m höchsten Berg Amerikas und stoppte kurz an der „Puente del Inca“, einer durch Ablagerungen von Mineralwässern entstandenen Naturbrücke über den Rio Mendoza.
Bis Uspallata machte mir der Wind leider einen Strich durch die rasante Abfahrt und ich musste trotz stetigem Gefälle kräftig in die Pedale treten.
Gute 120km trennten mich noch von Mendoza, die ich nach einem ebenfalls eisigen Morgen mit um die 1°C anging. Die Strecke führte mich durch schöne Landschaft, vorbei an schneebedeckten Bergen, rotem Gestein und grünen Sträuchern, die Kontraste waren wirklich beeindruckend. Die Ruta 40 brachte mich schließlich nach Mendoza, der Hauptstadt der gleichnamigen argentinischen Provinz.
5 Tage, 449 Kilometer und etlichen vergossenen Schweißtropfen später befinde ich mich nun auf der anderen Seite der Anden. Die erste richtig große Hürde wäre damit genommen.