Villa Unión – Chilecito – Los Robles – Belén – Hualfin
Nach einem "Café con leche" am Morgen schwang ich mich um 08:30 Uhr in den Sattel, um mich nach Chilecito aufzumachen. Der geflickte Reifen war prall mit Luft gefüllt, die auch über Nacht nicht entwichen war, was für mich schon mal ein gutes Zeichen war. Stetig ging es mit einer 1-2%igen Steigung bergauf, ein gerader Straßenverlauf von über 40 Kilometern. Plötzlich begann dann der Schotter, die „Cuesta del Miranda“, bei über 30°C, führte mich auf eine Höhe von 2020m. 5km vor dem Gipfel ergab sich durch ein Holzschild: „Empanadas“, noch einmal die Möglichkeit die Energiereserven aufzufüllen und so saß ich eine halbe Stunde mit frisch auf dem Holzfeuer zubereiteten Teigtaschen bei einer kleinen Familie im Vorgarten, bevor ich mich an den letzten Anstieg für diesen Tag begab. Nachdem ich den höchsten Punkt erreicht hatte, konnte ich es rollen lassen, fast bis nach Chilecito hinab, eine herrliche Abfahrt, die ich allerdings des Öfteren aufgrund von Fotostopps unterbrach. Die Landschaft war einfach unglaublich, wahnsinnige Kontraste, mit roten Felsen, weißen Steinen und grünbewachsenen Bergen, einer sogar schon schneebedeckt.
In Chilecito baute ich mein Zelt auf dem Grundstück der Jugendherberge auf, verschwand schnell unter einer heißen Dusche und machte mich dann zum Osterfest auf, der „Semana Santa“. Ein schönes Feuerwerk mit farbigem Wasserspiel und Livemusik erwartete mich, sodass ich auch Ostern in Argentinien ein wenig feierte.
Am nächsten Morgen frühstückte ich erst einmal gemütlich mit zwei Franzosen, die ebenfalls mit dem Rad unterwegs sind (www.cyclo.andes.over-blog.com). Die neuesten Streckeninformationen ausgetauscht, lief ich noch schnell zur Touristeninformation um die Ecke, um das kostenfreie WiFi zu nutzen, sprach über Skype mit meinem Papa, um zumindest meinen derzeitigen Aufenthaltsort durchzugeben und machte mich dann auf meinen Weg. Trotz meines relativ späten Startes am frühen Mittag legte ich noch 114 km zurück, bevor ich nach der kleinen Ortschaft „San Blas de los Sauces“ versuchte einen geeigneten Campplatz zu finden. Gerade einmal einen Meter hatte ich mein Fahrrad abseits der Straße in die Wildnis geschoben, da befanden sich schon wieder zahlreiche kleine Dornen in meinem Vorderradmantel. Fluchend schob ich mein Rad wieder auf die Straße zurück, zog die Stachel heraus, die sich zum Glück noch nicht sonderlich tief in mein Rad gebohrt hatten und kramte zunächst einmal meinen Schokoriegel hervor, um den aufkeimenden Ärger zu verdauen. Plötzlich erinnerte ich mich, kurz vor Verlassen des letzten Hauses eine große grüne Gartenrasenfläche gesehen zu haben, wendete mein Fahrrad und fuhr den letzten Kilometer wieder zurück. An dem Garten angelangt, schob ich mein Rad zunächst zögerlich auf den, im Vergleich zu den anderen Häusern sehr pompösen Hauseingang zu und suchte vergebens nach einer Klingel. So schnell gab ich mich nun allerdings nicht geschlagen, lief ums Haus herum und als auch auf mein Rufen und Klopfen niemand reagierte, drückte ich den Türknauf der Gartentür herunter und befand mich kurzerhand in der Küche des Hauses. Am Esszimmertisch sah ich einen älteren Herrn sitzen, der mich mit großen Augen anstarrte, doch nachdem die erste Schrecksekunde vergangen war und ich mich vorgestellt hatte, begann ein wunderschöner, unterhaltsamer, von Gastfreundschaft geprägter Abend, wie ich ihn mir nach meinem erneuten Dornenerlebnis nicht hätte zu erträumen wagen.
Nach einer herzlichen Verabschiedung von Daniel, meinem Gastgeber, am anderen Morgen machte ich mich auf nach „Belén“. Wieder mal durchfuhr ich eine sehr monotone Strecke, kilometerweit konnte ich in die Ferne sehen und es machte den Eindruck, dass ich mich für über Stunden kaum vorwärtsbewegte, obwohl mein Fahrradtacho mir etwas anderes sagte. Falls tatsächlich mal eine Kurve auftreten sollte, wurde das mit einem Hinweisschild vorausgesagt. Alleine durch diese Gegend zu radeln, kann wirklich anstrengend sein! Plötzlich ein kleiner Anstieg, ich steige aus dem Sattel, trete kräftig in die Pedale und „knacks“! Meine Kette entzweigerissen, dies nun schon ein zweites Mal!!! Gepäck abladen, Werkzeug hervorkramen und bei 30°C am Straßenrand den Kettennietendrücker in die Hand nehmen. 10 Versuche und 45 Minuten später sind meine Hände schwarz und die Kette sitzt wieder ordnungsgemäß auf ihren Ritzeln. Nach 45km traute ich meinen Augen kaum, als mir Albaro, ein 22jähriger Argentinier mit Fahrrad und Gepäck entgegenradelte. Leider für mich gesehen, in die falsche Richtung unterwegs, setzten wir unsere Wege nach einem kurzen Straßenplausch fort. Beide hatten wir noch gute 60km zu bewältigen.
Auf dem Weg von Belén nach Hualfin fand der monotone Straßenverlauf endlich ein Ende und es ging kurvig durch die Berge. Auch als der Asphalt aufhörte und in eine steinige Schotterpiste überging war mir dies immer noch lieber, wie die zahlreichen Tage auf Asphalt zuvor. Ich freute mich über Abwechslung, rote Felsen, wilde Pferde und auch einen Fluss galt es zu durchwaten. Gegen Mittag traf ich in „Hualfin“ ein, einem kleinen Ort, 70km von dem nächstgrößeren Städtchen (Santa Maria) entfernt. An weiterfahren war demnach nicht zu denken, denn wildcampieren ist auf diesem felsigen Gelände äußerst schwierig. So ließ ich mich mit einer großen Flasche Sprite auf die Steinstufen im Zentrum nieder und genoss es, einmal nicht in die Pedale treten zu müssen, sondern einfach nur sitzen zu können. Ganz in Gedanken versunken erblickte ich aus dem Augenwinkel heraus plötzlich zwei Radler. Sie fuhren so schnell an mir vorbei, dass ich gar keine Gelegenheit hatte, ihnen etwas zuzurufen und auf mich aufmerksam zu machen. Schnell meine ausgepackten Dinge in die Packtaschen verstaut und nichts wie hinterher. So weit konnten sie ja noch nicht gekommen sein, zumal es auch fraglich war, ob sie heute noch den Weg nach Santa Maria antreten wollten. Vor einem kleinen Restaurant sah ich ihre Fahrräder stehen und traf sogleich auf die beiden Inhaber: Maria und Sergio, zwei Spanier auf dem Weg von Córdoba nach Kolumbien (www.slowcicle.com). Ich konnte mein Glück kaum fassen, endlich jemand auch in Richtung Norden unterwegs! Bei einer gemeinsamen Pizza tauschten wir unsere Erlebnisse und Pläne aus, suchten im Anschluss die einzige Hospedaje im Dorf auf und quartierten uns in einem Dreierzimmer ein. Bis Salta planten wir denselben Weg zu fahren, dies bedeutete mehrere Tagen in Folge in Begleitung, mein Herz machte einen Freudensprung.