San Pedro de Atacama – Laguna Blanca/Verde – Vulkan Licancabur – Thermas Polques – Huayllajara – Hotel del Desierto "Tayka" , Ecohotel Laguna Hedionda – Villa Alota – Ramaditas – Uyuni
Früh wollten wir aufbrechen, denn eine Steigung von 45 km und einem Gradienten zwischen 7 und 8 % stand bevor. In meinem Bikebuch war dies als „eine der weltweit brutalsten Steigungen“ abgegeben. Doch an der Grenze dann erst einmal der Schock: eine RIESEN-Schlange, gleich 2 Reisebusse waren vor uns angekommen… Geschlagene 2 Stunden verbrachten wir somit, um den chilenischen Ausreisestempel in unsere Pässe gedrückt zu bekommen, bevor es endlich losgehen konnte. Fast 7 Stunden brauchte ich, um gute 40 km zurückzulegen, teilweise fuhr ich Schlangenlinien auf dem Asphalt, um der Steigung zumindest ein wenig die Steilheit zu nehmen. Völlig erschöpft begann ich um 18 Uhr mein Zelt aufzubauen, es dunkelte bereits und Fanny und Yannick waren schon in ihrer warmen Höhle verschwunden. Am nächsten Morgen galt es noch einmal für eine gute Stunde die Zähne zusammen zu beißen und dann hatte ich es auch geschafft, der Gipfel war erklommen und die bolivianische Grenze in Sichtweite. Schnell entrichteten wir den Parkeintritt von 150 Bolivianos (ca. 15 Euro) und legten die letzten Kilometer zum ersten Refugio an der Laguna Blanca zurück. Zu unserer größten Freude war auch unser erstes Verpflegungspaket schon eingetroffen, ein großer Stein fiel uns allen vom Herzen: die Organisation war also zuverlässig! Am Nachmittag machten wir einen ausgiebigen Spaziergang von fast 5 Stunden um die Lagunen herum, um uns ein wenig an die Höhe zu akklimatisieren, denn anderntags wollten wir den Vulkan Licancabur (5917 m) besteigen. Zunächst war ich mir diesbezüglich nicht sicher, doch die Aufregung und Vorfreude der beiden Franzosen ließen auch mich euphorisch werden und so schloss ich mich ihrem Plan der Vulkanbesteigung an.
Andernmorgens klingelte der Wecker schon um 02:45 Uhr in der Frühe, um 03:00 Uhr saßen wir bei einem knochentrockenen Brötchen am Frühstückstisch, kratzten den letzten Rest Marmelade aus dem Glas und machten uns anschließend im Jeep auf zum Startpunkt. Mit Wanderstöcken ausgerüstet, die Stirnlampen angeknipst konnte es losgehen. Tausende Sterne und eine schmale Mondsichel begleiteten uns. Schritt für Schritt im Gänsemarsch erklommen wir uns den Berg, der Guide immer vorweg. 5 ½ Stunden schraubten wir uns in die Höhe, wobei uns vor allem die letzten 200m eine geschlagene Stunde und viel Energie kosteten. Doch dann standen wir plötzlich alle oben, hatten den fast 6000m hohen Vulkan bezwungen, konnten es selber noch kaum fassen und genossen erst einmal die grandiose Aussicht auf die beiden Lagunen hunderte Meter unter uns (Blanca und Verde) sowie die eingefrorene Lagune des Vulkankraters. Der Abstieg wurde anschließend für mich zum blanken Horror, dachte ich doch, das Schwerste hinter mich gebracht zu haben, so wählte der Guide nun eine andere Route, die um ein Vielfaches steiler und sandiger war wie der Aufstieg. Die losen Steine wurden mir so des Öfteren zum Verhängnis, meine müden Beine schafften es einfach nicht mehr mein Gewicht abzufedern und auch meine Konzentration neigte sich dem Ende, sodass ich mehrfach auf meinem Hosenboden ausrutschte…
Nach 3 Stunden habe ich es endlich geschafft, so erschöpft wie noch nie, komme ich am Jeep an, will am liebsten einfach nur schnell einsteigen, zum Refugio fahren und mich schlafen legen, doch dann das: der Jeep hat vorne rechts einen Platten! Kann das denn wahr sein? Müde setze ich mich auf einen Stein und gucke dem Guide beim Reifen wechseln zu, was glücklicherweise erstaunlich schnell geht. Keine Stunde später liege ich dann auch schon in meinem warmen Daunenschlafsack und träume vor mich hin.
Ausgeschlafen kann es am anderen Morgen weitergehen, bei -14°C treten wir um kurz vor 08:00 Uhr den Weg zu den „Thermas Polques“ an. Ein flacher Anstieg, der uns bis auf knappe 4800m führt, empfängt uns. Danach geht es hinunter, an den „Piedras de Dali“, vom Wind geschnittene Felsen im Sand, vorbei zu den Thermen. Über eine Stunde sitzen wir in dem heißen Naturpool, genau das Richtige für meine durch die Vulkanbesteigung von Muskelkater geplagten Oberschenkel. Im Restaurant dürfen wir, nachdem alle Touristen verschwunden sind, unsere Isomatten ausrollen und lassen uns für wenige Cents einen Teller mit Reis und Asado vom Lama schmecken.
Es ist noch keine 06:30 Uhr und schon fahren die ersten Touri-Jeeps vor, folglich müssen wir den Restaurant-Raum räumen und sitzen schon früh wieder im Sattel. Ein langer Anstieg zum höchsten Geysirfeld der Welt steht bevor, dem „Sol de Manana“. Anfangs leitet mich ein Schild noch auf den richtigen Weg, doch nach 28 zurückgelegten Kilometern mache ich mir Sorgen, ob ich mich überhaupt noch auf dem entsprechenden Pfad befinde, der mich zum Geysirfeld führen soll, denn eigentlich hätte ich es laut Tacho längst passiert haben müssen. Irgendwann wird es mir dann zu unsicher, die Straße steigt immer weiter an und ich lasse mein Fahrrad am Straßenrand liegen, laufe um die nächste Kurven herum, kann nichts erkennen und entschließe mich auch noch einen Blick auf die folgenden Kurven zu werfen, bevor ich mich verzweifelt auf den Rückweg mache. „Was nun?“ Zunächst einmal krame ich mein Brot und ein Stück Käse hervor, um mich ein wenig zu beruhigen und meinen leeren Magen zu füllen, doch dann muss ich mich entscheiden. Eine Schande, dass gerade jetzt keine Spur von einem Touri-Jeep zu sehen ist, sonst fetzen sie doch immer mit Höchstgeschwindigkeit an mir vorbei, sodass ich minutenlang in ihrer Staubwolke stehe, doch wenn man sie einmal braucht, sind sie nicht da… Ein Blick auf meine Militärkarte bringt auch keine sichere Erkenntnis, die Geysire müssten demnach hinter dem „Cerro Apache“ liegen, vor dem ich nun stehe. Also nichts wie auf den Berg, um zu sehen was dahinter ist und tatsächlich, ich sehe eine Rauchwolke aufsteigen, das müssen die ersehnten Geysire sein, ich befinde mich also auf dem richtigen Weg, muss „nur noch“ um diesen einen Berg herum. Schnell wieder auf mein Fahrrad gesetzt und lospedalt, doch was muss ich nach 20 Minuten anstrengendem Fahren feststellen?! Ich bin zu einer Rauch ausstoßenden Salpetermine gefahren und die Arbeiter vor Ort geben mir zu verstehen, dass ich die Geysire schon längst passiert haben müsste. Innerlich völlig aufgelöst wende ich mich Fahrrad und lasse es die letzten erklommenen Kilometer wieder herunterrollen, stoße doch tatsächlich auf einen Jeep, frage ihn nach der Weggabelung und darf nach weiteren 2,5 km abseits der Piste endlich die Geysire bewundern. Kein Schild, nichts, deutete auf diesen winzigen von Steinen gespickten Pfad hin! Für die Besichtigung bleibt mir nun jedoch wenig Zeit, so schieße ich ein paar Fotos und mache mich wieder an den Aufstieg zur Hauptpiste, den ich teilweise schiebend bewältigen muss. 41km sind es noch bis zur „Laguna Colorada“ und der Weg voller loser Steine bereitet mir Probleme, gelegentlich wirft es mich fast vom Rad. Zudem treibt mich nun auch die Panik, das Refugio nicht mehr rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit erreichen zu können und draußen zelten zu müssen, denn es ist spät geworden, auf dem holprigen Weg habe ich meine 1,5l-Wasserflasche verloren und mein Fahrradtacho hat ganz plötzlich den Geist aufgegeben, sodass ich mich nun auf meine Intuition verlassen muss, wie viele Kilometer ich bereits zurückgelegt habe und wie viele noch vor mir liegen. Ohne weiteren Zwischenstopp fahre ich also weiter, so schnell die Straße es erlaubt und erreiche endlich die gigantische Abfahrt mit Sicht auf die Laguna Colorada. Schon fast in Sicherheit geglaubt, doch es steht wieder einmal ein unendlich schlechter Pfad zum Refugio bevor. Ein kleiner Fluss will noch durchquert werden, ich hüpfe von der einen Fahrspur der Jeeps zur nächsten, in der Hoffnung immer ein wenig schneller voran zu kommen, dann geht auch schon die Sonne unter und ich erreiche mit allerletzter Kraft die Hospedaje „Huayllajara“. Auch Fanny und Yannick, die schon vor mehr wie einer Stunde hier eingetroffen sind, treffe ich hier wieder und lasse mir einen großen Teller voller Reis und Lamafleisch schmecken, welches ausgezeichnet ist!
Den Weg zum Refugio Colorada legen wir am nächsten Morgen in aller Frühe zurück, teilen die Lebensmittel aus den Paketen auf, die glücklicherweise eingetroffen sind und machen uns getrennt auf den Weg in Richtung „Arbol de Piedra“ (dem Baum aus Stein). Mitten in der Wüste taucht er plötzlich mit vielen anderen wunderschönen Gesteinsformen vor mir auf, lässt mich für eine kurze Zeit an diesem Ort verweilen, bevor ich mich wieder auf Spurensuche begebe, denn eine Straße oder zumindest einen einheitlichen weiterführenden Weg gibt es hier nicht. Am Abend finde ich mitten im Nirgendwo ein wunderschönes Hotel („Hotel del Desierto“, Tayka) in welchem ich mich für eine Nacht zu einem unschlagbaren Radlerrabatt einquartiere und das weiche Bett sowie die heiße Dusche genieße.
Am nächsten Tag erwartet mich der letzte große Pass von 4.700m Höhe, bevor es in einer unendlich langen Abfahrt hinunter geht zu den Lagunen. Auf dem Weg dorthin hält dreimal ein Jeep neben mir, zunächst gibt mir eine ältere Bolivianerin ihre Hand und kann es einfach nicht fassen, dass ich hier in dieser abgeschiedenen Gegend alleine mit dem Rad unterwegs bin, kurz darauf bekomme ich eine Flasche Wasser gereicht und diene als Fotomodell, bevor ich zu guter Letzt von einem dritten Jeep einen Lolli geschenkt bekomme. Die Aufmerksamkeit der anderen Touristen tut gut, gibt mir in diesem Moment nach den zurückliegenden Tagen erneute Kraft, sodass ich diesmal laut singend zu den Lagunen hinabdüsen kann, ein tolles Gefühl! Alle vier Lagunen (Ramadita, Honda, Chiarkota, Hedionda) sind bewundernswert und lassen mich den Atem anhalten, eine Belohnung für die Strapazen. Ein kleiner Wehmutstropfen am Rande sind für mich die fehlenden Flamingos, auf die ich mich so sehr gefreut hatte, nur in der Ferne kann ich einige erblicken, doch ich bin einfach einen Monat zu früh… Genauso wie für den Salar de Uyuni, den ich gerne mit dem Fahrrad überqueren würde, doch die Guides der Jeeptouren geben mir zu verstehen, dass im Eingangsbereich bei „San Juan“ derzeit das Wasser noch 30cm hoch stünde. So entschließe ich mich die Lagunenroute nach der „Laguna Hedionda“ zu beenden und über Villa Alota und San Cristóbal nach Uyuni zu fahren. Ein zweites Mal auf dieser Tour „verfahre“ ich mich, finde den Weg in Richtung Villa Alota und dem „Camino International“ nicht, stehe abermals verzweifelt am Rande einer Lagune und weiß nicht weiter. Ich befinde mich schon auf dem Weg zurück zum Ecohotel der Laguna Hedionda in dem ich meine vorherige Nacht verbracht habe, da erblicke ich plötzlich in der Ferne vier Gestalten und bin mir zunächst unsicher, ob es sich um Lamas oder doch um menschliche Wesen handelt. Mein Teleobjektiv hilft mir bei der Identifizierung und tatsächlich: es sind vier Personen, die da den Hügel herunterkommen!!! Das Glück kaum fassen könnend, laufe ich ihnen winkend entgegen. Es sind vier Minenarbeiter von 35, 14 und 15 Jahren, die schon seit fünf Stunden zu Fuß unterwegs sind, ebenfalls in Richtung Villa Alota. Ihnen schließe ich mich, das Fahrrad nebenher schiebend an und darf auf diese bitterliche Weise feststellen, dass ich mich zuvor auf dem richtigen Pfad befunden habe, und nur noch einen einzigen Kilometer vor mir gehabt hätte, ehe ich mich auf den Rückweg begeben habe… woher sollte ich das wissen??? …und so befinde ich mich nach drei Stunden an eben genau der Stelle, an der ich gegen Mittag umgekehrt bin.
Und dann erblicke ich ihn: den „Camino International“, der mich nach Villa Alota führen soll, eine erdige Straße, die nach Auskunft der Tourguides jedoch genauso gut wie Asphalt ist. Doch was sich mir nun darbot ist mit der schlimmste Streckenabschnitt auf der gesamten Lagunenroute. Zunächst bereiten mir große Steine mal wieder ein Hindernis, bevor die Straße auch noch in eine schlammige Baustelle übergeht. Schlussendlich schaffe ich es jedoch nach 70 zurückgelegten Kilometern doch noch in das winzige Örtchen, komme für umgerechnet 2,50€ in einem engen Raum unter und erhalte nach inständigem Drängen und Bitten auch noch einen Teller heiße Suppe.
Zwei Tage trennen mich noch von Uyuni und nach einem kurzen Mittagsstopp in San Cristóbal auf dem dortigen Mercado, wo ich endlich mal wieder ein „richtiges“ Mittagessen bekommen kann, treffe ich draußen auf der staubigen, von Wellblech geprägten Straße Richtung Uyuni doch tatsächlich meine alten guten Freunde aus Spanien, Sergio und Maria, wieder mit denen ich gemeinsam nach Salta geradelt war. Die Wiedersehensfreude ist unendlich groß und wir drei können alle kaum glauben uns hier wiederzutreffen. Sie befinden sich mit noch einem weiteren belgischen Pärchen auf 4-Tages- Jeeptour, derselben Strecke, die ich mit dem Fahrrad zurückgelegt habe. Wir verabreden uns für den nächsten Tag in einem Hotel in Uyuni. Meine Freude, alte Bekannte wiederzusehen ist unbeschreiblich groß und beflügelt mich dermaßen, dass ich anderntags schon gegen Mittag in Uyuni eintreffe, die schlechte Piste hierher völlig verdränge und beide in die Arme schließe.
Die bewältigte Lagunenroute sowie den Gipfel des Licancabur und unser Wiedersehen zelebrieren wir am Abend mit einer großen Pizza und unendlichem Gesprächsstoff, der uns für eine lange Zeit im Lokal festhalten lässt.