Ollantaytambo – Chinchero – Ancahuasi – Curahuasi - Abancay
Deutlich spüre ich meine Beine an diesem Morgen, nachdem ich am Tag zuvor gefühlte eintausend Stufen auf Machu Picchu gestiegen bin. Radfahren ist eben doch eine andere Belastung, wie laufen, wandern oder eben Treppen steigen…
Mein Zug geht erst um 10:55 Uhr zurück nach Ollantaytambo und so kann ich den Tag ruhig angehen lassen und eine Bananenmilch im Mercado genießen. Diesmal „muss" ich mit der etwas luxuriöseren „Vistadome-Klasse“ des Peru-Rails fahren, denn alle Tickets für die „Expedition-Klasse“ sind ausgebucht. Wie im Flugzeug bekommen wir einen Snack und Getränk serviert, zu guter Letzt folgt auch noch eine Modenschau im Waggongang mit der neusten Alpakamode. Mir fehlen die Worte!
In Ollantaytambo angekommen, schnappe ich mir schnell mein Gepäck sowie das Fahrrad und schwinge mich in den Sattel, um heute noch ein wenig vorwärts zu kommen. Den kleinen Ort „Chinchero“ kann ich trotzdem leider nicht mehr erreichen und so muss ich mein Zelt in einer winzigen Siedlung am Straßenrand aufschlagen.
Die letzten 20km bergauf nach Chinchero erledige ich dann am folgenden Morgen und komme ganz zufällig sogar an einem Sonntag an, sodass ich den dortigen Markt besuchen kann. Zahlreiche Frauen und Mädchen sitzen in ihrer traditionellen Kleidung auf dem Platz in mitten von bunten Textilwaren und verkaufen hauptsächlich an die aus Cusco strömenden Touristen ihre Waren. Vielfach stricken, häkeln und weben sie währenddessen gleich an neuen Stücken. Es ist beeindruckend anzusehen, wie „blind“ sie die Kunst des Textilhandwerks beherrschen und für mich völlig unfassbar sind dann wiederrum die Preise. Stundenlange Arbeit ist zumeist nur ein paar Cents wert.
In einem Hinterhof kann ich dann noch an einer Webvorführung teilnehmen. Es wird gezeigt, wie die Wolle gewaschen, gefärbt, zum Faden gesponnen und verwebt wird. Alles mit Naturmitteln!
Interessant sind auch die Muster, die gewebt werden, allesamt besitzen sie eine Symbolik.
Die Motive: Schlange, Puma und Kondor stehen dabei im Vordergrund, wobei sie die drei Stadien des Inkalebens symbolisieren:
Ukhu Pacha (Symbol der Unterwelt),
Kay Pacha (Symbol dieser Erde) und
Hanaq Pacha (Symbol des Himmels).
Gemeinsam bilden die Symbole das Kreuz der Anden: „La Chakana“, welches das Weltbild der Inkas repräsentiert.
Nach einer kleinen Mittagspause fahre ich noch weiter nach „Anta“. Auch hier findet ein Markt statt, jedoch der ganz anderen Sorte. Es wird Brot, Gemüse, Obst, Joghurt und lebende Hühner verkauft, Dinge für das tägliche Leben. Mir macht es immer wieder große Freude in das Gewusel aus Menschen, Waren und Geräuschen einzutauchen und mich einfach leiten zu lassen, überall gibt es etwas Neues zu entdecken.
Nach einer weiteren Nacht im Zelt, diesmal im Garten eines unbewohnten Hauses, lasse ich mir ein Frühstück bestehend aus einem Käsebrot und einem heißen Quinoa-Getränk, auf der Straße schmecken, bevor ich mich an den Anstieg zum 4000m hohen „Abra Soccllaccasa“ mache. Während eines Teilstückes begleiten mich drei neugierige Jungen auf ihren eigenen Fahrrädern und lenken mich durch ihre pausenlosen Fragen ganz von der stetigen Steigung ab, sodass ich fast ohne es zu merken kurz nach Mittag den Gipfel erreiche. Rundherum befinden sich nun wieder schneebedeckte Berge, doch leider verstecken sie sich heute hinter schweren Wolken.
Gerade einmal 5km bin ich in Richtung „Abancay“ hinabgerollt, da überholen mich zwei Rennradfahrer, drosseln nach wenigen Metern ihre Geschwindigkeit und lassen mich zu sich aufschließen. Gemeinsam rollen wir dann ganz bis in die Stadt hinab, quatschend, lachend und Musik hörend. Ja ihr lest richtig! …einer der beiden hat doch tatsächlich vorne an sein Rad ein Radio mit USB-Anschluss montiert! ;-)
Die beiden Rennfahrer bringen mich bis zur Eingangstüre eines Hostals, bevor sie sich schnell auf ihren Heimweg machen, denn laute Donnergeräusche sind plötzlich zu hören und die ersten Regentropfen fallen. Seit langer langer Zeit, erlebe ich am Abend den ersten Regen. Für zwei Stunden schüttet es kräftig, bevor es abrupt aufhört und am nächsten Morgen von dem abendlichen Ereignis nichts mehr zu sehen ist.
Einen Tag der Erholung gönne ich mir hier in Abancay, der Hauptstadt der peruanischen Region Apurímac. Bringe meine Fahrradkette wieder auf Vordermann, lasse meine Wäsche in einer Lavanderia waschen und verbringe ein wenig Zeit im Internet, bevor ich mich morgen dann auf den weiten und anstrengenden Weg nach Ayacucho machen werde.