Abancay - Ayacucho

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Ayacucho, Peru
Saturday, August 20, 2011

Abancay – Laguna Pacucha – Andahuaylas – Chincheros – Ocros – Ayacucho

Gleich fünfmal klettert die Straße auf dem Weg von Abancay nach Ayacucho auf über 4000m, um direkt darauf wieder in 2000m Tiefe hinabzustürzen. Ein wahnsinniges Auf und Ab erwartet mich!

-       Abra Cruzccasa (4000m)
-       Abra Huayllacasa (4100m)
-       Abra Soraccocha (4240m)
-       Abra Huamina (4400m)
-       Abra Toccto (4240m)

So starte ich am Morgen auch gleich mit 22km Abfahrt bis zu einer Brücke. Doch dann ist Schluss mit „einfach rollen lassen", der erste Pass steht auf dem Programm. Zugleich wechselt es auch von Asphalt auf Schotter, ich muss mich wieder auf jede Menge Staub einstellen…

Die Temperatur steigt im Laufe des Nachmittages auf über 30°C an und während ich mich den Berg in zahlreichen Kurven hinaufschraube, merke ich auch schon bald, dass ich viel zu wenig Wasser für den heutigen Tag transportiere. Vor jedem Zug aus der Flasche überlege ich, ob ich denn nun wirklich schon wieder Wasser trinken muss oder es noch einen weiteren Kilometer ohne durchhalten kann. Kurz bevor der Vorrat ganz zur Neige geht, stoppe ich einen mir entgegenkommenden Kleinbus und frage nach „Agua“. Einen halben Liter sprudelndes Zitronengetränk bekomme ich aus dem Fenster gereicht, bevor sich der Bus in einer riesigen Staubwolke davonmacht und ich wieder alleine auf dem Weg zum Gipfel bin. Gleich zweimal fährt die Polizei an diesem Tag an mir vorbei und erkundigt sich nach meinem Befinden, sie können es kaum glauben, dass ich diesen Weg tatsächlich mit dem Fahrrad eingeschlagen habe und nicht über die asphaltierte Strecke in Richtung „Nasca“ fahre.

Mit der fortschreitenden Tageszeit wird allmählich klar, dass ich mein ursprünglich geplantes Tagesziel, das Bergdörfchen „Kishuara“, heute nicht mehr erreichen kann. Der reine Zufall will es, dass ich kurz vor Einbruch der Dunkelheit mit letzter Kraft eine kleine Häusersiedlung am Berghang erreiche, wo ich mein Zelt auf einem winzigen Stück halbwegs ebenen Gras aufbauen kann. Meine erste Frage gilt jedoch etwas ganz anderem: „Hay Bebidas?“ (Gibt es Getränke???).

Nachdem mein erster Durst gestillt ist, nehme ich auch meine Umgebung ganz anders war. Ich bin in einem sehr ärmlichen Dorf, mit 30 Einwohnern und 3 Läden eingetroffen. Strom gibt es keinen, kaltes fließendes Wasser nur aus einem zentralen Kran am Straßenrand und nach „warmer Küche“ zu fragen, traue ich mich schon gar nicht mehr. Heute muss ich wohl seit langer Zeit mal wieder meinen Kocher aus den Fahrradtaschen hervorkramen… Dennoch stoße ich auf große Freundlichkeit und Interesse an meiner Reise, sodass ich mit den beiden jungen Mädchen, die mir die Getränke und ein paar Kekse verkauft haben, viel lachen kann. Eine Toilette scheint es auch nicht zu geben, ein kleines Mädchen von vielleicht zwei Jahren, läuft plötzlich einfach schnell aus der Haustüre, zieht sich ihre schmutzige Hose herunter und pinkelt mitten auf die Straße. Niemand der Anwesenden verliert ein Wort dazu und auch mir fällt dazu nichts Passendes ein, denn ich muss an die Kleinkinder in Deutschland denken, die oft noch bis ins Kindergartenalter hinein mit Pampas herumlaufen. Da fragt man sich doch, was nun besser ist?! Ein Schmunzeln aufgrund der reinen Selbstverständlichkeit des kleinen Mädchens kann ich mir trotzdem nicht verkneifen.

Hahnengeschrei und Schweinegrunzen weckt mich andern Morgens sehr früh und so schwinge ich mich auch schon bald wieder in den Sattel. Weitere 30km bergauf nach Kishuara, wo ich eine kleine Mittagspause einlege.
Kurz darauf treffe ich auf zwei Schweizer-Radler, Marilli und Martin, gestartet in Ecuador, Quito und auf dem Weg nach Argentinien, Ushuaia (http://www.eisenhut.li).
Ein kurzer Straßenplausch und dann geht es auch schon wieder weiter, immer noch klettert der Weg in die Höhe und es dauert noch bis in den Nachmittag, als ich endlich den Gipfel erreiche. Während der Abfahrt werde ich immer wieder von Baustellen ausgebremst, überall wird gearbeitet und frischer Asphalt gelegt. Die Strecke scheint in einem Jahr vollständig asphaltiert zu sein.

Es dunkelt schon, als ich ein Schild: „Laguna Pacucha 6km“ erreiche. Kurzerhand entschließe ich mich diesen Pfad einzuschlagen und freue mich insgeheim schon auf einen Campingplatz mit herrlichem Ausblick aufs Wasser und einer frischen „Trucha Frita“ (fritierte Forelle). Doch eindeutig habe ich mich da mal wieder zu früh gefreut, die Sonne untergegangen, der Vollmond am Himmel, gelange ich an eine Weggabelung und weiß erst einmal nicht weiter, kein Schild weit und breit. Ich fahre einfach geradeaus weiter und dann das: mein Vorderrad verliert die Luft, jeden einzelnen Stein kann ich plötzlich unter meiner Felge spüren und muss das restliche Stück nach Pacucha weiterschieben, um nicht noch etwas kaputt zu machen. In einem kleinen Laden frage ich nach einer Unterkunft für die Nacht, bekomme jedoch nur ein Kopfschütteln als Antwort. Alles kommt mir ein wenig seltsam vor, denn als ich an der Straßenkreuzung den Weg zur Laguna eingeschlagen habe, standen auf dem Schild mehrere touristische Dinge wie: Hotels, Restaurants, Bootsfahrten, Angeln und Mountainbiking angeschlagen.
Doch nun bin ich hier und es scheint tatsächlich rein gar nichts davon zu geben! Eine ältere Dame führt mich zu einer rostigen Metalltüre ein paar Straßen weiter und verdeutlicht mir hier anzuklopfen. Doch auch nach dem dritten Mal öffnet mir niemand die Türe und ich stehe etwas verloren im schummrigen Straßenlaternenlicht. Erst nachdem ich nach einem einfachen Stück Rasenfläche gefragt habe, um mein Zelt aufstellen zu können, fällt der älteren Frau das Schulgelände auf der anderen Straßenseite ein. Als wir gemeinsam das große Tor aufschieben, kommt uns gleich eine ganze Kinderschar entgegen, die mich für die nächste Stunde mit Fragen löchern und nicht mehr allein lassen sollte.
Manchmal kann das auch ganz schön anstrengend sein, wenn man solch einen Tag wie diesen hinter sich hat: 87km zurückgelegte Strecke, davon 45 km bergauf, Ankunft im Ort bei Mondschein, Platten auf den letzten Metern, keine Unterkunftsmöglichkeit, das Zelt ist auch noch nicht aufgebaut und der Magen knurrt…

Plötzlich taucht dann wie aus dem Nichts eine Gruppe französischer Volontäre auf und lädt mich kurzerhand zum Abendessen ins Haus gegenüber ein. Sie engagieren sich freiwillig im Zuge des Projektes: “Projet de solidarité internationale“ und bauen unter anderem Solarkocher, welche sie dann in abgelegenere Dörfer in der Umgebung von Andahuaylas bringen, um den stetigen Holzbedarf zum Kochen der dortigen Familien zu reduzieren und damit auch die Umwelt zu schonen. Einige der Teilnehmer haben ebenfalls einen Blog eingerichtet, indem sie über ihr Engagement informieren: http://compacolor.over-blog.com/.  

Am nächsten Morgen heißt es zunächst erst einmal den kaputten Reifen zu flicken, bevor ich mich wieder auf den Weg machen kann. Anschließend umrunde ich die große, tiefblaue Lagune einmal, besichtige die Chanka-Festung „Sondor“ auf der gegenüberliegenden Seite und mache mich danach auf den Weg nach „Andahuaylas“.

Kaum in der Stadt angekommen, werde ich auf der Straße direkt von zwei Spaniern angesprochen. Auch sie sind mit den Fahrrädern unterwegs und vor 15 Monaten in Alaska gestartet: Idoia und Natxo (http://waterwewait.wordpress.com/).
Den Abend verbringen wir mit Pizza und dem Austausch von sämtlichen Reiseerlebnissen.

Einen Tag Pause verbringe ich in Andahuaylas und habe Glück, dass dies ausgerechnet ein Sonntag ist, denn somit kann ich der „Feria Dominical“ einen Besuch abstatten. Mit so vielen Menschen hatte ich dann allerdings nicht gerechnet, als ich am Eingang stehe. Es ist das reinste „Gewusel“ und gerade deshalb so interessant.
Ich nehme mir ein wenig Zeit und schlendere durch die Stände, kann ein kleines Mädchen entdecken, welches gerade ihre ersten Turnschuhe anprobiert, eine Mutter welche auf einer Brücke ihr Baby säugt und einen Jungen der im Stehen von der Brücke in den Fluss pinkelt. Kinder bahnen sich ohne ihre Eltern ganz selbstverständlich ihren Weg durch die Massen, zwischendurch laufen Hunde frei herum, Schweine werden dagegen von ihren Besitzern an Leinen geführt. Ob Eis, frische Ananasscheiben, Wackelpudding in den verschiedensten Farben oder gekochte Wachteleier, alles gibt es in kleinen Portionen abgepackt für wenige Centimos zu kaufen. An einem Stand entdecke ich antike, deutsche „Singer“-Nähmaschinen, die zum Verkauf stehen, an einem anderen wiederum werden die typischen aus Autoreifen hergestellten Sandalen verkauft, die die meisten Peruaner tragen (5 Soles; 1,25€).
Und währenddessen die Frauen auf Kunden warten, wird gestrickt, gehäkelt und genäht, die Hände ruhen eigentlich nie still!

An den beiden folgenden Tagen darf ich bei der Polizei übernachten. In „Chincheros“ baue ich mein Zelt auf dem Polizeigelände auf, einen Tag später schlafe ich in „Ocros“ in einem Polizei-Stockbett und bekomme zunächst noch ein Abendessen spendiert. Zwei Stunden lang sitze ich bei Kerzenlicht mit einem der Beamten zusammen und versuche ihm meine Gründe für diese Fahrradreise deutlich zu machen. Gar nicht so einfach, wenn man schon in der eigenen Muttersprache kaum Worte dafür finden kann… es dann auf Spanisch zu unternehmen fällt schwer!
Licht gibt es die ganze Nacht keines und daher entfällt leider auch die heiße Dusche, auf die ich mich so gefreut hatte.

Vor 07:00 Uhr bin ich am nächsten Morgen abfahrbereit, doch so schnell und einfach lassen sie mich dann doch nicht davonziehen, meine beiden netten Kollegen vom Vorabend. Sie laden mich zum Frühstück ein und für eine Tasse heißen Kaffee habe ich immer Zeit.
Dass dann allerdings mit großem Aufwand angefangen wird zu kochen, damit hatte ich nicht gerechnet! Zunächst müssen die Zutaten eingekauft, die Küche geputzt, das Gemüse geschnitten sowie Nudeln und Kartoffeln gekocht werden, bevor wir uns zu Tisch setzen können. Es gibt: Nudeln mit Tomaten und Möhren, Thunfisch, Kartoffeln, Brot und Milchkaffe ;-) Ja richtig, zum Frühstück!!!

Die Gastfreundschaft scheint unermüdlich, zum Abschied bekomme ich noch eine Packung Kaugummi geschenkt und mit reichlich gefülltem Magen darf ich mich mit zweistündiger Verspätung, um 09:00 Uhr, dann endlich auf den Weg zum nächsten Gipfel machen.

Einen Zettel mit meinen ersten Quechua-Wörtern im Gepäck:
„Ymaynalla cacckanquy? Allynlla. (Como estás? Bien.)

Der weitere Tag verläuft dann im gleichmäßigen Rhythmus des ständigen Tretens. Nachdem ich den steilen Berganstieg hinter mir habe, folgt steppenartige „Puna“. Ein paar der scheuen Vicunjas begleiten mich bei meinem Weg durch den mit Sand versetzten Schotter.
Eine Nacht muss ich in dieser Höhe (um die 4000m) verbringen, denn der Weg bis “Ayacucho“ ist noch weit. Eine geeignete Campingstelle zu finden ist dagegen gar nicht mal so einfach, die Berghänge an den Seiten sind alle schräg. So stelle ich mein Zelt kurz vor Einbruch der Dunkelheit in einer Baustelleneinfahrt auf und befestige es mit einigen Steinen, denn in diesem harten Boden wollen meine Heringe einfach keinen Halt finden. Eine ganze Weile warte ich gespannt darauf, ob heute nicht vielleicht doch noch Baustellenfahrzeuge aufkreuzen und mich von meinem Schlafplatz verscheuchen wollen, doch dann schlafe ich ruhig ein.

Die Nacht war überraschenderweise trotz dieser Höhe nicht so kalt wie erwartet und so mache ich mich früh auf den Weg, um die letzten Kilometer nach „Ayacucho“ zurückzulegen.
Nach wenigen Minuten muss ich dann aber doch noch einmal anhalten und meine Winterhandschuhe aus dem Gepäck kramen, bevor ich die Finger gar nicht mehr spüren kann.

12 km rolle ich durch die Puna bevor es steil bergab in die Stadt geht, bis auf ein paar Baustellen kann mich niemand bremsen. Nachdem ich den gestrigen Tag überwiegend mit bergauf fahren verbracht habe, tut der heutige Morgen richtig gut und so bin ich schon um 10:00 Uhr in Ayacucho!

51km zurückgelegt in 2:35 Stunden, währenddessen ich gestern für 55km 7:02 Std. benötigt habe!!!

Nach mehreren Tagen in der Natur ist es immer wieder bezaubernd in eine Stadt einzufahren, für mich sind es Oasen in mitten der Wildnis.

Comments

Hut ab vor Deiner sportlichen Leistung!!! Die letzten 3 Tage selber 185km mit dem Rad durchs Tramuntanagebirge gefahren, hab ich beim "Schnaufen" immer an Deine Tour gedacht (auch wenn Du 20 Jahre jünger bist ) und gleich gings besser ;-). Vielen Dank für Deine ausführlichen Erzählungen und die schönen Fotos, so kann ich Deine gigantische Tour miterleben und mitfühlen. Weiterhin gute, sichere und erlebnisreiche Reise.
Liebe Grüße vom Alpenrand
(P.S. Zufälle gibt es nicht) From Anja, on Sep 5, 2011 at 07:27PM

Pictures & Video

Wahlwerbung immer und überall!
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von Asphalt auf Schotter, Staub pur
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Schönheit der Natur
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bitte HUPEN!!! mein Weg Abendstimmung Wolkenmeer Campingplatz fast in den Wolken
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Haussteinproduktion
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Steine aus Lehm/Matsch/Schlamm
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Schild in Quechua, kanns einer lesen?
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Kartoffelernte in 4000m Höhe
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Straßensperrung ab nach Haus, die Sonne geht unter
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Ankunft im Mondlicht, Laguna Pacucha
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nicht so schön am Morgen...
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Laguna Pacucha Laguna Pacucha Laguna Pacucha Laguna Pacucha Chanka-Festung "Sondor"
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Sondor Steinstufen Laguna Pacucha Ausblick hat sich die Mühe des Hochradelns doch gelohnt...
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letzter Blick: Laguna Pacucha
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Talavera Aufstieg am Gipfel werde ich schon erwartet
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stundenlang ganz allein, immer geradeaus
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sieht der oder die überhaupt noch was?
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zelten auf Polizeigelände, Chincheros
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Kirche Chincheros
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meine Gastgeber in Chincheros
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Adios Chincheros und runter ins nächste Tal
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bergab unten angekommen ich bin nicht immer allein unterwegs ;-)
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Puente Pampas, Tiefstpunkt
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radeln bis die Sonne untergeht
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hier wohnt tatsächlich eine Familie
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Polizei Ocros Frühstück mit Nudeln und Kaffee
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DANKE für alles!!! Polizei in Ocros
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Ocros liegt oben links im Bild...
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fast am Gipfel, kaum mehr Vegetation
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durch die Puna Weggesellen tja: welchen Weg soll ich nehmen?
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Abendstimmung letzte Sonnenstrahlen
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Camping in Baustelleneinfahrt
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STOPP! überall wird asphaltiert
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Blick auf Ayacucho
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Kathedrale an der Plaza de Armas
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nicht jeder hat eine Waage zu Hause!
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Avenida 28 de Julio
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Säulengang in der Stadt Templo Santa Ana Centro Turistico Cultural San Cristóbal
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