Llamac – Laguna Jahuacocha – Quartelhuain – Laguna Carhuacocha – Huayhuash – Agua termal – Camping Quebrada Cuyoc – Huayllapa – Camping Quebrada Gashpampa – Laguna Jahuacocha – Llamac
Zwei Tage verbleiben wir in Huaraz, bringen unsere Wäsche in eine „Lavanderia" (Wäscherei), ruhen uns ein wenig aus, besuchen das Internet, um mit unserer Familie zu skypen und treffen ganz zufällig noch auf ein französisches Pärchen, welches ebenfalls mit dem Fahrrad unterwegs ist (http://terredepaysages.over-blog.com/).
Aurelie und Florent befahren allerdings schon seit zwei Jahren verschiedenste Strecken der Welt und kommen gerade von einer Wanderung in der „Cordillera Blanca“ zurück.
Noah und ich befinden uns dagegen auf dem direkten Weg in einen Fahrradladen, um das Problem seines Lenkerkugellagers in Angriff zu nehmen. Florent wirft nur einen schnellen Blick auf das Rad und schlägt sofort vor, sich selbst der Sache anzunehmen. So begleiten wir die beiden bis zu ihrer Unterkunft, tragen das Fahrrad auf die Dachterrasse und wenige Minuten später ist das Problem durch eine gründliche Reinigung und neue Fettung gelöst. Freudestrahlend und erleichtert lassen wir die beiden wieder allein, um uns an die Besorgungen für die Wanderung zu begeben. Stunden später laufen wir mit schweren Einkaufstüten durch die Stadt, unserem Hostal entgegen und beginnen unsere Rucksäcke zu packen.
Mir geht es derweil leider immer schlechter, eine heftige Magenverstimmung bahnt sich an und so lege ich mich, ohne alle notwendigen Vorbereitungen abgeschlossen zu haben, ins Bett, schließlich geht der Bus morgen um 05:00 Uhr…
Auch als uns wenige Stunden später, um 03:45 Uhr, der Wecker aus dem Schlaf klingelt, geht es mir gesundheitlich nicht besser. Nur unter Tabletteneinfluss überstehe ich irgendwie die sehr rumpelige Busfahrt und wage an stundenlanges Wandern über Pässe gar nicht zu denken.
Als der Bus plötzlich stoppt, wir ihn verlassen und auf einen kleineren Wagen umsatteln sollen, passiert in einem Moment der Unaufmerksamkeit auch noch das Schlimmste: Noahs Bauchtasche mit allen Dokumenten und Papieren, sowie dem Rückflugticket ist verschwunden. Völlig aufgelöst und mit panischer Stimme wende ich mich an die Busleiterin, die daraufhin der gesamten Busbesatzung droht, auf der Stelle die Polizei zu holen und alle Insassen durchsuchen zu lassen. Wenige Sekunden später holt ausgerechnet der unmittelbar neben uns sitzende Herr von der „Security“, wie seine Baseballkappe uns verrät, Noahs olivgrüne Dokumententasche hervor und überreicht sie uns.
Die Erleichterung ist uns beiden ins Gesicht geschrieben und kaum in „Llamac“, dem Ausgangspunkt der Wanderung, angekommen, lassen wir uns auf eine Parkbank in der Sonne fallen und müssen uns erst einmal ein wenig von dem Schock erholen. Mir geht es immerhin ein kleines bisschen besser, den Rest des Tages verbringe ich jedoch schlafend in einem Hostalbett, während Noah sich mit einem 21jährigen Dänen namens „Morten“ anfreundet. 550km hat dieser schon zu Fuß auf seiner Reise zurückgelegt und möchte am kommenden Morgen ebenfalls in die „Cordillera Huayhuash“ aufbrechen. Allerdings hat er sich für die Wanderung einen Esel gemietet, der sein Gepäck tragen soll. Unsere Rucksäcke hingegen sind dermaßen überladen, dass wir sie kaum auf unsere Schultern heben können. Zudem müssen wir die Schlafsäcke und Isomatten mit unseren Zurrgurten der Fahrräder außen befestigen, da innen einfach kein Platz mehr vorhanden ist. Morten bietet uns an, den Esel mit ihm „zu teilen“ und ca. 10 kg Gewicht in einen Packsack umzuladen, welchen das Tier dann für uns tragen würde. Von der Idee geradezu begeistert treffen wir uns andern Morgens vor der Hostaltüre und beladen gemeinsam den Esel „Oraculu“, bevor wir uns an die erste Wanderetappe wagen.
1. Tag: Llamac – Laguna Jahuacocha
- Pass „Macrash Punta“: 4272m
Bei schönstem T-Shirt Wetter machen wir uns auf den Weg und brechen bei diesem steilen Anstieg von 3250 auf 4272m auch sogleich in Schweiß aus. Völlig durchnässt stehen wir nach mehreren Stunden oben am Gipfel und werden kurz darauf von einem nicht enden wollenden Regenstrom heimgesucht, der auch die letzten trockenen Kleidungsflecken aufweicht. Schließlich am Campingplatz eingetroffen bauen wir unsere Schlafstätte noch immer in strömendem Regen auf, verkriechen uns in die Schlafsäcke und wagen zunächst erst einmal keinen weiteren Gedanken an die noch bevorstehenden Wandertage zu denken.
Die Kleidung bis auf die Haut durchnässt, der Boden aufgeweicht und matschig, der Himmel ein einziges Grau in Grau, da kann einem die Freude am Wandern schon nach einem einzigen Tag genommen werden, auch wenn man weiß, dass man soeben durch eine der schönsten Trekkinggebiete Perus läuft.
Doch plötzlich lässt das stetige Trommeln auf das Zeltdach nach, ein Blick aus dem Zelt zeigt uns einen aufgeklarten Himmel und wenig später dürfen wir einen herrlichen Sonnenuntergang mit Spiegelung der schneebedeckten Bergkette im Wasser der Lagune bewundern.
2. Tag: Laguna Jahuacocha – Quartelhuain
- Pass „Sanbuya Punta“: 4740m
- Pass „Rondoy Punta“: 4750m
Nach der Lagune beginnt ein unheimlich steiler Anstieg dem nächsten Pass entgegen.
Die Hälfte ist gerade einmal geschafft, da müssen wir eine Zwangspause aufgrund unseres Esels einlegen. Oraculu lässt sich von keinem von uns dazu bewegen auch nur ein winziges Stück weiter vorwärts zu gehen. Er macht auf uns drei einen müden, hungrigen Eindruck und so entschließen wir uns, ihm eine dreiviertel Stunde Zeit zum Fressen und Erholen zu geben.
Wir hingegen können die herrliche Aussicht auf den türkisblauen See mit den schneebedeckten Bergen im Hintergrund genießen. Wenig später kommt uns ein anderer Eseltreiber entgegen und bricht beim Anblick Oraculus beinahe in lautes Lachen aus. Seiner Meinung nach, hat man uns ein viel zu altes und schwaches Tier gegeben, woraufhin er uns prophezeit, dass wir den Circuit niemals mit ihm schaffen würden. Ein wenig nachdenklich, treiben wir Oraculu, der einen sehr wichtigen Teil unseres Gepäcks trägt und daher für uns alle drei unentbehrlich ist, wieder voran, über beide Pässe. Oben angekommen bewundern wir eine der besten Aussichten auf meiner gesamten Reise und sehen die gigantischen Kondore nur einige Meter weit, über uns herfliegen. Beim Abstieg verlieren wir den Pfad aus den Augen, müssen zusammen mit dem Esel einen Fluss überqueren, bevor wir wieder auf den richtigen Weg finden und schlussendlich den Campingplatz erreichen. Von 08:30 Uhr am Morgen sind wir nun bis um 17:00 Uhr unterwegs gewesen. Eine organisierte Gruppe mit israelischen Teilnehmern befindet sich ebenfalls mit ihren Zelten hier und wird morgen den Circuit beginnen. Soeben wollen wir unsere Zelte aufbauen, da beginnt es zu hageln und wir beeilen uns noch möglichst trocken in unser Nest zu kommen.
3. Tag: Quartelhuain – Laguna Carhuacocha
- Pass „Cacananpunta“: 4690m
- Pass „Carhuac Yanapunta“: 4630m
Das stetige Tropfen des Regens weckt uns auch am folgenden Morgen und ermuntert nicht gerade dazu, sich aus dem Schlafsack zu bewegen, das Zelt einzupacken und loszuwandern…
Auch Morten im Nachbarzelt, ist schon auf den Beinen und hat keine guten Nachrichten zu verkünden. Er ist krank, kann den Circuit nicht weitergehen und wird heute noch mit dem Esel zurück nach „Llamac“ gehen. Ratlosigkeit macht sich bei mir breit, ohne die Hilfe des Esels können wir unter keinen Umständen die folgenden Tage überstehen, die Rucksäcke sind auch so noch schwer genug. Doch zurückgehen, den Circuit schon nach dem zweiten Tag beenden? So schnell gebe ich mich nicht geschlagen und obwohl auch das Wetter nicht gerade zum Weiterwandern einlädt, laufe ich hinüber ins Kochzelt der israelischen Gruppe, treffe dort auf den „Arriero“ (Maultiertreiber) und Guide, die das Frühstück der Teilnehmer zubereiten und frage nach, ob es möglich wäre, dass einer ihrer Esel auch noch unseren Packsack transportieren könnte. Nach kurzer Diskussion dürfen wir aufladen, verabschieden uns von Morten und Oraculu, die nun in die entgegengesetzte Richtung davonstapfen und nehmen unsere Trekkingstöcke in die Hand.
Der Tag bringt im Verlauf des Morgens die Sonne zum Vorschein und wir dürfen eine gigantische Aussicht auf die Cordillera genießen. An einem Felsen beobachten wir zahlreiche Chinchillas beim Versteckspiel, kurz später erblicken wir dann die große Lagune „Carhuacocha“.
Vor unseren Augen bricht der Gletscher in tosendem Lärm die Felswand hinab ins Wasser, dahinter stehen still die schneebedeckten Sechstausender. Schnell zum Campingplatz hinabgelaufen, liegt unser Gepäcksack mit Zelt und Essensvorräten auch schon für uns bereit und wir machen uns an den Aufbau des Nachtlagers. Von der Gruppe ist auch eine Stunde später noch keine Spur zu sehen und so dürfen wir die Stille inmitten dieser beeindruckenden Natur noch ein wenig ganz für uns allein erleben.
4. Tag: Laguna Carhuacocha – Huayhuash
- Pass „Siula Punta“: 4830m
- Pass: 4750m
Drei strahlend blaue, nahezu türkisfarbene Lagunen gilt es zu bewundern. Eine davon („Gangrajanca“) ist mit Gletschereis bedeckt. Zusammen mit der Gruppe überqueren wir die zwei Pässe und müssen den Abstieg leider über sehr sumpfiges Gebiet zurücklegen.
Unsere Trekkingstöcke helfen dabei, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, doch plötzlich bricht die Spitze meines Stockes, auf den ich mich gerade gestützt hatte entzwei und ich lande längsseitig im Matsch. Zunächst kann ich vor Lachen gar nicht aufstehen, auch Noah neben mir kriegt sich kaum mehr ein, und als er mich dann endlich aus dem Nassen zieht, ist meine Hose völlig durchnässt und verschlammt. Das größere Problem stellt jedoch der Verlust des Trekkingstockes dar, denn schließlich stehen noch weitere sechs Tage auf dem Programm!
5. Tag: Huayhuash – Agua termal
- Pass „Portachuelo de Huayhuash“: 4780m
Ein Tag zum Erholen steht uns bevor. Der morgendliche Blick aus dem Zelt zeigt uns in der Sonne grasende Esel und im Hintergrund dunkelgraue Gewitterwolken. So beeilen wir uns über den Pass zu kommen, steigen zur Lagune „Viconga“ hinab und sind schon gegen Mittag am Campingplatz. Endlich können wir das nasse Zelt zum Trocknen auslegen, eine Siesta halten und anschließend in die erholsamen, heißen Quellen steigen.
Nach fünf anstrengenden und kräftezehrenden Wandertagen genau das Richtige!!!
6. Tag: Agua termal – Camping Quebrada Cuyoc
- Pass “Punta Cuyoc": 4950m
Auch an diesem Tag können wir es etwas ruhiger angehen lassen. Erst gegen 08:30 Uhr schnüren wir unsere Schuhe und begeben uns an den Anstieg zum Pass. Dabei verfehlen wir den „richtigen“ Pfad ein wenig, erklimmen uns den Berg von der steilsten Seite aus und finden den Weg danach wieder. Unmittelbar laufen wir an einem Gletscher vorbei und steigen über Geröll auf der anderen Seite wieder hinab. Den Campingplatz verpassen wir trotz Wanderkarte um einen Kilometer, müssen noch einmal umkehren, ein Sumpfgebiet queren und sehen dann aus der Ferne die Esel der Gruppe grasen.
Wie jeden Tag hat der „Arriero“ der Gruppenteilnehmer die Zelte schon aufgebaut und ist dabei das Essen zuzubereiten. Für uns dagegen liegt der Packsack bereit und da wir wieder einmal zu einem viel früheren Zeitpunkt wie die Anderen eingetroffen sind, halten wir gemeinsam in der Sonne einen netten Plausch, bevor sich jeder wieder an seine Arbeit begibt. Für uns bedeutet dies: Zelt aufbauen, Schlafsack und Isomatte ausrollen, Wasser am Fluss besorgen, Essen auf unserem kleinen Gaskartuschenkocher zubereiten, spülen, waschen, Zähne putzen und nichts wie ab ins Tausend-Sterne-Hotel ;-)
7. Tag: Camping Quebrada Cuyoc – Huayllapa
- Pass „San Antonio“: 5020m
Bei schönstem Sonnenschein brechen wir früh auf, der anstrengendste aller Tage steht uns bevor, ein Pass von über 5.000m Höhe. Mehrere Stunden steigen wir über Geröll bergauf, jeder ist dabei ganz auf sich selbst fixiert und irgendwann erreichen wir dann auch endlich den Gipfel. Eine grandiose Aussicht belohnt allen Schmerz und alle Mühen, türkisblaue Lagunen, schneebedeckte Berge und die beeindruckenden Kondore, soweit das Auge reicht. Nach gut einer Stunde Pause machen wir uns zusammen mit der Gruppe an den schwierigen, da sehr steilen, Abstieg. Bis zum Fluss laufen wir mit den Anderen zusammen und sind dankbar einen Guide dabei zu haben, denn der Pfad ist kaum zu erkennen. Unten angekommen trennen wir uns wieder und laufen an Wasserfällen entlang dem Örtchen „Huayllapa“ entgegen.
Nach sieben Tagen treffen wir endlich wieder auf Zivilisation und können unsere Essensvorräte aufstocken. Zuvor verlaufen wir uns jedoch ein weiteres Mal, indem wir den Fluss auf einer wackeligen Brücke überqueren, doch ein lauter Pfiff lässt uns aufhorchen und wir sehen auf der gegenüberliegenden Uferseite einen alten Mann stehen, der uns wieder auf die andere Seite verweist. Unser Zelt schlagen wir in dieser Nacht auf dem Fußballplatz der Gemeinde auf und veranstalten am Abend ein regelrechtes Festessen mit frisch gekochten Eiern, Schokolade und einem Schluck Coca Cola.
8. Tag: Huayllapa – Camping Quebrada Gashpampa
- Pass „Tapush Punta“: 4770m
Ein nicht enden wollender Anstieg von 3490m auf 4770m steht uns bevor. Mehrfach sind wir verunsichert bezüglich der Route, geraten plötzlich an ein Schild mit der Aufschrift: „Eintritt verboten“, bevor wir durch einige Steinmännchen-Markierungen wieder auf die Spur finden. Teilweise lässt die Beschilderung leider absolut zu wünschen übrig.
Früh erreichen wir abermals den Campingplatz, halten zunächst einmal einen Mittagsschlaf, denn unsere Beine und Schultern sind vom Tragen des schweren Rucksackes sowie des stundenlangen Wanderns über unterschiedlichstes Gestein, Erde, Sand und Matsch, nach nun acht Tagen, ein wenig müde geworden.
9. Tag: Camping Quebrada Gashpampa – Laguna Jahuacocha
- Pass: „Llaucha Punta“: 4850m
Die Nacht war kalt, am Morgen befindet sich Eis auf unserem Zelt und auch die Zeltinnenwände sind durch unseren Atem mit einer kleinen Eisschicht überzogen. Wir entschließen uns heute im Beisein des Guides und der Gruppe zu gehen, der gestrige Tag hat uns doch ein wenig verunsichert… So laufen wir gemeinsam über den Pass zu einem Aussichtspunkt, wovon wir eine herrliche Sicht über die Lagune „Jahuacocha“ sowie „Solteracocha“ haben und stehen ein wenig staunend in schwindelerregender Höhe, denn nun werden wir in wenigen Stunden wieder am Ausgangspunkt unserer Wanderung sein, ein letztes Mal das Zelt aufschlagen und uns in unsere Schlafsäcke legen, bevor es andern Morgens früh nach „Llamac“ hinuntergehen wird.
10. Tag: Laguna Jahuacocha – Llamac – Huaraz
Der Wecker schellt uns um 04:30 Uhr aus dem Schlaf, schnell sind die Rucksäcke gepackt und wir starten, zunächst noch fast im Dunkeln, in den eiskalten Morgen, bis die ersten Sonnenstrahlen unsere Glieder wieder zum Erwecken bringen. Es dauert nicht lange und da erreichen wir auch schon „Llamac“, beschaffen uns ein Busticket und haben noch eine Stunde Zeit, um uns ein wenig auf die Holzbank vor der Busagentur zu setzen und die letzten zehn Wandertage Revue passieren zu lassen.
Eine beeindruckende Landschaft, atemberaubende Natur- und Tierwelt durften wir erleben und auch wenn das Wetter zunächst versuchte uns einen Strich durch die Rechnung zu machen, sind wir nun doch auch ein wenig stolz, trotzdem aufgebrochen zu sein, um Teil haben zu können, an dieser grandiosen Natur in Perus nördlichen Anden.