Chachapoyas – Bagua Grande – Jaén – San Ignacio – Pucabamba – Vilcabamba – Loja – Saraguro – Oña – La Jarata – Cuenca
3 ½ Tage brauchen wir, um von Chachapoyas zur ecuadorianischen Grenze zu fahren.
Die Hitze macht uns in diesen Tagen am meisten zu schaffen, mehrmals zeigt der Tacho eine Temperatur von über 50°C an. Der Wasserverlust unserer Körper durchs ständige Schwitzen ist kaum durch Trinken wieder auszugleichen.
Wir haben das Gefühl den Durst nie richtig stillen zu können.
Landschaftlich wechselt es nun zu Palmen und Reisfeldern entlang der Straße, was zumindest in unsere Herzen ein wenig Grün hineinbringt, trotz dieser brutalen Hitze. Die Städte hingegen zeigen sich uns gegenüber von einer eher staubigen, heißen und schmutzig wirkenden Seite. Kleine dreirädige Blechkisten, auch „Mototaxi“ genannt, beherrschen den unüberschaubaren Stadtverkehr.
Kurz vor Jaén überrascht uns ein heftiger Regenschauer und wir haben Glück, dass wir es noch halbwegs rechtzeitig zu einer Tankstelle schaffen, um von den vom Himmel fallenden Wassermassen nicht vollständig durchweicht zu werden. Wenige Minuten später können wir weiter fahren und nur die nassen Straßen sind der Beweis für dieses seltene Ereignis.
Am folgenden Tag auf der Strecke von Jaén nach San Ignacio werden wir mehrfach von den an uns vorbeirasenden Autos von Kopf bis Fuß eingestaubt. Teilweise müssen wir anhalten und einige Minuten in der Staubwolke verweilen, bevor wir unseren Weg wieder erkennen und fortsetzen können. Bei diesen rasanten Überholmanövern packt mich regelrecht die Wut auf die jeweiligen Fahrer. Völlig rücksichtslos brettern sie an uns vorbei, sodass die kleinen Schottersteinchen von der Straße aufgewirbelt und gegen unsere nackten Beine geschleudert werden. Wahrhaftig kein Vergnügen!
Die Nerven von den Autofahrern aufs Äußerste strapaziert, kommt nun noch hinzu, dass wir uns mit der heutigen Tagesetappe ein wenig übernommen zu haben scheinen, denn es wird später und später, die Dunkelheit holt uns ab 18:30 Uhr ein, sodass wir mit Stirnlampen weiterfahren müssen. Ein Dorf ist jedoch nicht in Sichtweite…
Auch in völliger Finsternis überholen uns weiterhin mehrere Fahrzeuge ohne jegliche Notiz von zwei müden Radfahrern am Straßenrand zu nehmen, ein Pickup mit leerer Ladefläche rast achtlos an uns vorüber. Es scheint nahezu aussichtslos an diesem Abend Hilfe von der Bevölkerung zu bekommen und so schieben wir unsere Räder schweigsam den Anstieg hinauf, der winzige Lichtkegel der Stirnlampen zeigt dabei stur nach vorn. Verwundert halten wir in unserer Bewegung inne, als plötzlich ein „Collectivo“ neben uns zum Stehen kommt.
Mit vereinten Kräften hieven wir die beiden bepackten Reiseräder auf das Dach, verzurren sie notdürftig mit einem einzigen Spanngurt und steigen zu den anderen Fahrgästen ins Innere des Buses. Unfassbar glücklich sitzen wir auf unseren Plätzen und können es kaum glauben, dass wir nach fünfzehnminütiger Fahrt in der Stadt sind. Die Polizei hilft beim Wechseln von einigen Dollarscheinen, denn einen Bankautomaten gibt es nicht und so können wir wenig später in einer Unterkunft einchecken.
Die Grenze zu Ecuador bildet eine Brücke über den Fluss. Auf jeder Seite steht ein winziges Grenzgebäude, in welches wir kurz einkehren müssen, um den jeweiligen Aus- bzw. Einreisestempel zu erhalten. Der aufmerksame, peruanische Grenzbeamte entdeckt sofort, dass ich fünf Tage über meiner erlaubten Einreisedauer von 90 Tagen im Land bin, doch meine innere Unruhe stellt sich als völlig unnötig heraus. Mit einer Bezahlung von 5 Dollar bekomme auch ich den wichtigen Stempel in meinen Reisepass gedrückt und kann auf die andere Brückenseite hinüberrollen.
Ecuador begrüßt uns mit einer der brutalsten Steigungen meiner bisherigen Reise.
An Fahren ist nicht zu denken und so schieben wir uns Meter für Meter bei brennender Hitze den steinigen Berg hinauf. In unseren Ohren hallt höhnisch die Angabe des ecuadorianischen Grenzpostenbeamten: „40 Minuten sind es zu Fuß bis zum nächsten Dorf“.
Geschlagene zwei Stunden arbeiten wir uns vorwärts, um zu dem besagten Ort zu gelangen und dürfen freundlicherweise vor der Kirche unser Zelt aufbauen.
Eine herrlich erfrischende Dusche gibt es aus dem beiliegenden Gartenschlauch.
Auch am folgenden Tag sind wir auf fremde Hilfe angewiesen, die Strecke nach „Zumba“ überwinden wir unter Einsatz größter Kräfte eigenständig, bis uns kurz vor Eintreffen im Ort ein Taxifahrer mitnimmt. Scheinbar müssen wir einen dementsprechend mitleidigen Eindruck auf ihn gemacht haben. Uns soll es recht sein, denn auch die letzten Kilometer winden sich steil in die Höhe. Mein Durchhaltewille ist am Tiefstpunkt angelangt, kurzzeitig wird er durch die Vorbereitungen eines Dorffestes in Zumba verdrängt, wo wir uns bei frischer Wassermelone und einigen Gebäckteilchen stärken. Doch was nun?
Die Strecke erweist sich eindeutig als zu steil, zu sandig, zu steinig und viel zu heiß!!!
An der Plaza treffen wir auf einen KTM-Motorradfahrer aus Montreal. Heute Morgen sei er um 09:00 Uhr in Vilcabamba gestartet, 140 weitere Kilometer an Strecke von oben beschriebener Beschaffenheit würden noch vor uns liegen… Noah und ich entschließen uns daraufhin den Bus zu nehmen, der auch sogleich in der nächsten halben Stunde starten wird.
Für weitere 140km fehlt uns einfach die Kraft!
Geschlagene 6 Stunden verbringen wir im Inneren eines heißen, stickigen Buses und treffen erst spät am Abend gegen 19:30 Uhr in Vilcabamba ein. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: ein Bus benötigt 6 Stunden für eine Strecke von 140km!!!
In Vilcabamba gibt es ein deutsches Hostal und wir können es kaum glauben, wenig später vor einem Teller mit Currywurst und Pommes zu sitzen.
Auch den nächsten Tag verbringen wir dort, ruhen uns ein wenig aus, auch wenn das Wetter ausgerechnet heute von Wolken verhangen ist und uns die Vorfreude auf das Schwimmen im Pool eindeutig zu Nichte macht. Die ruhige und entspannte Atmosphäre im „Tal der Hundertjährigen“ lässt uns schnell die Strapazen des vorherigen Tages vergessen. Bekannt ist das Tal für die Langlebigkeit seiner Bewohner, viele von ihnen überschreiten die 100 Jahre Grenze deutlich.
Gut gestärkt und erholt brechen wir wieder auf und lernen Ecuador besser kennen. Es ist das Land der grünen Hügel. Hinter jedem Anstieg folgt eine kurze ebenso steile und damit auch rasante Abfahrt, bevor es danach sofort wieder mit gleichem Steigungsgradienten in die Höhe geht. Alles erscheint uns viel moderner wie das Nachbarland Peru, die Mototaxen sind fast völlig aus dem Stadtbild verschwunden, hingegen sehen wir nun sämtliche Varianten von Kleinwagen und sogar Fahrschulen gibt es hier! Zweispurige Fahrbahnen, Einkaufszentren und amerikanisierte Parkanlagen bringen uns zum Staunen. Wie können die Länder nur so verschieden sein, wenn es doch eigentlich direkte Nachbarn sind und sie nur ein paar Busstunden auseinanderliegen???
Hier in Ecuador können wir kostenlos bei der Feuerwehr unterkommen. Oft müssen wir unser Zelt gar nicht in Anspruch nehmen und dürfen ein freies Bett im Schlafsaal der Feuerwehrmänner beziehen. Nicht selten gibt es auch noch freien WiFi-Zugang im Gebäude. Eine Küche sowie eine heiße Dusche sind nebenbei ganz selbstverständlich.
Kein Wunder, dass uns das Land von Anfang an sehr sympathisch ist.
In Saraguro allerdings campieren wir in unmittelbarer Nähe von einer Kampfhahn-Zucht.
Die armen Tiere befinden sich in winzigen Käfigen hoch übereinander gestapelt in der Garage der Feuerwehr, in der auch wir unser Nachtlager aufgeschlagen haben. Um 02:00 Uhr in der Nacht beginnt das Gekrähe das erste Mal und ab 06:00 Uhr startet ein nicht enden wollendes, unerträglich lautes Hahnen-Konzert. Verständlich, dass wir früh auf den Beinen sind, doch so haben wir wenigstens Zeit uns den Indian-Markt von Saraguro anzuschauen.
Die Männer tragen hier lange, schwarze, zum Zopf gepflochtene Haare, haben eine von der Sonne gegerbte, dunkle Hautfarbe und machen auf uns einen indianisch wirkenden Eindruck. Die Gummistiefel und Jogginghosen wollen dazu jedoch nicht so recht ins Bild passen.
Von Ort zu Ort dürfen wir nun die verschiedensten Huttrachten bewundern. Es scheint gerade so, als ob jede Gemeinde eine eigene Hutkreation besäße. Hier in Saraguro werden vermehrt große, schwere mit einem Kuhmuster verzierte Hüte aus „Lana“ (Schurwolle) getragen. Auch wir probieren den Kopfschmuck einmal aus, müssen aber feststellen, dass er nicht nur einiges wiegt, sondern zudem auch einfach recht unbequem zu tragen ist.
Am folgenden Tag treffen wir auf eine weitere Neuigkeit aus Ecuador. Vom Straßenrand blicken uns nun öfter ganze, gegrillte Schweine an. Wir kommen nicht drum herum, am Mittag davon zu kosten und erhalten einen Teller Schweinefleisch mit Mote (Mais). Die Haut wird dagegen mit einem Bunsenbrenner regelrecht angeflämmt, in feine Streifen geschnitten und den Kunden serviert, sie gilt als eine absolute Delikatesse.
Endlich erreichen wir Cuenca, Ecuadors drittgrößte und unserer Meinung nach schönste Stadt des Landes. Hektisches Treiben in allen Ecken und Enden der Stadt empfängt uns, das Fest der 191-jährigen Unabhängigkeit steht unmittelbar bevor und wir bekommen Probleme eine Unterkunft zu finden. Die Feuerwehr will uns dieses Mal nicht aufnehmen, da es scheinbar in der Vergangenheit Probleme mit Radreisenden gegeben habe, die sich an ihrer Ausrüstung vergriffen hätten. Folglich beherbergen sie nun keinerlei Fremde mehr auf ihrem Gelände… ärgerlich für uns, doch verständlich bei derartigen, traurigen Vorfällen.
Schlussendlich bekommen wir ein Bett für eine Nacht und dürfen die beiden folgenden im Nachbarhostal-Garten zeltend verbringen. Nachdem die Unterkunftsfrage erst einmal geklärt ist, stürzen auch wir uns in den allgemeinen Trubel, genießen die zahlreichen, bunten Stände mit allerlei Leckereien, schauen Clowns und Musikern bei ihren Darbietungen zu. Am Abend findet ein regelrechtes Live-Rockfestival mit anschließendem Feuerwerk statt.
Zu meiner größten Freude treffen wir hier in Cuenca ein weiteres Mal auf Sergio und Maria, die beiden Spanier, mit denen ich in der Vergangenheit schon die ein oder andere Tagesetappe gemeinsam gefahren bin. Es ist ein herzliches Wiedersehen und ein wunderschöner Abend in einem kleinen Restaurant in Cuenca.
Wie jedes Mal gibt es unheimlich viel zu erzählen!