Quito

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Quito, Ecuador
Monday, November 21, 2011

Gleich eine ganze Woche verbringen wir in Quito, mit 1,4 Mio. Einwohnern Ecuadors Hauptstadt und merken gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht.

Zunächst besuchen wir das WM-Qualifikationsspiel im Fußball zwischen Ecuador und Peru. Gemeinsam mit Elisabeth und Rupert, unseren beiden Motorradfreunden, die wir in der Stadt wiedertreffen, veranstalten wir einen Frühstücksbrunch, bevor wir uns auf den Weg ins Stadion begeben. Dunkles, körnerhaltiges Brot mit leckerem Käse und noch so einigen anderen Spezialitäten, erfüllen unsere tiefsten Wünsche nach deutscher Kost. Reichlich gestärkt kann es dann auch schon losgehen, das Stadion ist mehr wie nur ausverkauft, es scheint gerade so, als ob doppelt so viele Tickets verkauft wurden, wie Plätze vorhanden sind. Selbst auf den Treppenstufen sitzen die Menschen dicht gedrängt, ein Durchkommen ist ausgeschlossen und in mir breitet sich die unangenehme Frage aus: „Was passiert, wenn nun Panik ausbricht?“

Doch schnell wieder zum Spielgeschehen, es entwickelt sich ein attraktives Fußballspiel zwischen den beiden Partien. Die Stimmung im Stadion ist aufgrund der Vielzahl an Personen selbstverständlich gigantisch und wird durch zahlreiche bengalische Feuer und „Laola“-Wellen unterstrichen. Nach 90 Minuten steht es 2:0 für Ecuador und man könnte meinen, dass nun zumindest die einheimischen Fans glücklich und zufrieden den Heimweg antreten, doch weit gefehlt uns zeigt sich ein trauriges Ende eines hervorragenden Fußballtages. Auf dem Spielfeld prügeln sich die Spieler, die Schiedsrichter müssen von der Security hinausbegleitet werden und ein stark alkoholisierter Fan fällt nach einer wagemutigen Kletteraktion auf den angrenzenden Spielfeldzaun aus einer Höhe von 5 m in einen Betongraben.  Fußballabenteuer in Ecuador...

Für Noah und mich folgt die Besteigung des „Cotopaxi“, mit 5897 m über dem Meeresspiegel einer der höchsten tätigen Vulkane der Erde.

Bei strahlendem Sonnenschein brechen wir zu fünft auf. Ein junger Niederländer sowie zwei Guides befinden sich in unserer Gruppe. Recht abenteuerlich führt eine steile Schotterpiste zum Ausgangspunkt hinauf. Wir liegen zu dritt auf einem Berg von alten Matratzen auf der Ladefläche des alten, wackeligen Pick-ups, der mehr wie nur einmal in Probleme gerät, als es gilt eine besonders steile Steigung auf sandigem Untergrund zurückzulegen. Am selben Tag steigen wir vom Parkplatz noch zum Refugio auf 4850 m auf, absolvieren eine kleine Übungseinheit im Einsatz von Pickel und Steigeisen, essen gemeinsam zu Abend und dürfen einen herrlichen Sonnenuntergang bewundern, bevor wir uns schon gegen 19:00 Uhr zu Bett legen. Für Noah und mich ist an Schlaf jedoch nicht zu denken, die Aufregung, die Höhe und die bis lang in die Nacht andauernden Geräusche der anderen Bergsteiger im Refugio lassen uns kein Auge zudrücken. Insgesamt haben wir, wenn es hoch kommt, gerade einmal für eine Stunde geschlafen, stehen bereits um 00:30 Uhr wieder auf, machen uns fertig und nehmen ein kleines Frühstück ein. Als Letzte brechen wir von allen Gipfelstürmern im Team auf, der kleine Lichtkegel unserer Stirnlampen weist uns den Weg. In unserem Rücken glitzert Quito wie ein Lichtermeer vor sich hin, während wir uns bei eisiger Kälte an den Aufstieg begeben.

Viel zu schnell steigen wir auf, überholen ein Kletterteam nach dem anderen und müssen im Verlaufe der kommenden Stunden hart dafür bezahlen! Wenig später gilt es dann sich anzuseilen, Noah, der Guide „Santiago“ und ich befinden sich in einem Team. Den Niederländer mit „Fausto“, unserem zweiten Guide, haben wir längst aus den Augen verloren.

Nach 40 Minuten ziehen wir unsere Steigeisen an, nun geht es auf Schnee steil bergauf. Die alten Plastikschuhe aus dem vorigen Jahrhundert, drücken gegen unsere vor Kälte gefrorenen Füße, die Nase läuft in einem fort, während wir immer langsamer werden. Zwei Gletscherspalten müssen überquert werden und währenddessen wir uns Zentimeter für Zentimeter vorwärts kämpfen, wird es allmählich taghell.

Für Noah und mich entwickelt sich der Aufstieg zu einem einzigen Kräftekampf. Jeder Schritt wird zu einer Qual und zwei Stunden vor dem Erreichen des Gipfels müssen wir ernsthaft ans Umkehren denken, beide sind wir körperlich sehr schwach, doch der eiserne Wille ist stärker…

Wir laufen weiter, können bis heute nicht sagen, wie wir die folgenden Stunden bis zum Gipfel durchgestanden haben, und erreichen um 07:30 Uhr als Allerletzte den Gipfel. Alle anderen bereiten sich schon wieder auf den Abstieg vor, da dürfen wir zum ersten Mal die gigantische Aussicht auf den wunderschönen Vulkankrater genießen. Die umliegenden Vulkane zeigen sich bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein von ihrer schönsten Seite und sogar der „Chimborazo“ blitzt aus der Ferne hervor. Durch unseren Zeitverlust beim Aufstieg sind wir nun allerdings in Eile, haben keine Zeit uns am Gipfel auszuruhen und müssen nach den obligatorischen Fotos und einem Morgenkeks wieder absteigen.

Was nun folgt ist mit Worten gar nicht zu beschreiben, der Abstieg entwickelt sich zur reinsten Härteprobe und Höllenqual. Die starke Sonneneinstrahlung hat den Schnee bereits zum Auftauen gebracht. Unsere Steigeisen setzen sich nach jedem einzelnen Schritt mit matschigem Schnee zu, sodass wir gezwungen sind, ständig anzuhalten, um sie frei zu klopfen und der Gefahr des Ausrutschens zu entgehen. Beide taumeln wir nur noch vor uns her, haben die Kontrolle über unsere Beine und den gesamten Körper schon längst verloren. Völlig erschöpft lässt sich Noah auf den wässrigen Schnee sinken und spricht die einzig wahre Beschreibung unseres Zustandes aus: „Swinde, wir sind halbtot!“ Doch wir müssen weiter, haben die rettende Grenze des Übergangs von Schnee auf Stein noch nicht erreicht, Santiago unser Guide zieht uns wieder hoch und treibt uns weiter voran. Kaum haben wir diese entscheidende Grenze erreicht, lassen wir uns beide auf den Boden sinken, das Refugio befindet sich nun schon in Sichtweite und lassen Santiago den letzten Kilometer alleine absteigen. Wir dagegen brauchen erst einmal eine zehnminütige Verschnaufpause. Gegenseitig müssen wir uns auffordern auch noch die letzten Schritte abzusteigen, über jeden einzelnen Tritt klagen wir vor uns hin und Noah hat schon jetzt für sich entschieden: für ihn wird es kein zweites Mal auf eine solche Höhe gehen.

Wieder am Refugio fühlt er sich krank, Kopfschmerzen und völlige Erschöpfung machen sich breit.

Doch der unendliche Stolz, es auf den Vulkan geschafft und seine eigenen Grenzen überwunden zu haben, überwiegt eindeutig. Ein Gefühl von dem man in jeder kommenden Situation zehren kann, denn man weiß nun, selbst wenn man gedenkt „schon halbtot zu sein“ geht es noch weiter!!!

Auch für den nächsten Tag gönnen wir uns keine Pause und wollen uns den berühmten Markt von „Otavalo“ ansehen. Nachdem wir zumindest ausgeschlafen sind und sich der Muskelkater überraschenderweise in ertragbaren Grenzen hält, steigen wir in den Bus. Dass die Reise dann allerdings inklusive umsteigen drei Stunden dauert und wir erst am Nachmittag, als die Stände schon beginnen ihre Waren wieder abzubauen, eintreffen, damit haben wir bei Leibe nicht gerechnet.

Trotzdem genießen wir das lebhafte Treiben auf dem Markt, können sogar ein paar Weihnachtsgeschenke für unser Familie und Freunde erstehen und wollen uns auch sogleich wieder auf den Rückweg machen.

Dass sich dieser dann allerdings in seiner Länge von drei auf gleich elf Stunden, mehr als verdreifacht und wir eine große Strecke laufend davon zurücklegen, lässt uns im Nachhinein nur noch ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern. Mitten im Gedränge am Busterminal heißt es nämlich plötzlich, dass es heute keine Busse mehr nach Quito gäbe…

Wider Erwarten erwischen wir einen Allerletzten, der uns noch zwanzig Minuten in die Richtung von Ecuadors Hauptstadt bringt, dann macht eine Polizei-Straßensperre das Durchkommen unmöglich und der Bus dreht ohne Warnung der Insassen einfach wieder um. Gemeinsam mit zahlreichen Passagieren steigen wir aus und laufen zu den Polizeibeamten. Diese erklären uns geduldig, dass die Straße erst gegen 04:00 Uhr am Morgen wieder geöffnet sein wird und wir keine andere Möglichkeit hätten, als zu laufen oder nach Otavalo zurückzufahren und uns ein Hotel zu nehmen. In T-Shirt und kurzer Hose stehen wir ungläubig vor dem Beamten und können unser „Glück“ kaum fassen.

Für uns beginnt eine Nacht des Laufens und gelegentlichen Busfahrens. Mit tausenden anderen Leuten maschieren wir los und dürfen wenig später zumindest auch den Grund für die plötzliche Straßensperre erfahren: heute Nacht findet die größte Prozession Ecuadors zu Anlass der „Virgen de El Quinche“ statt. Wie bei einem Sponsored Walk oder einem Marathon befinden sich zahlreiche Verpflegungsstellen am Straßenrand und wären wir nicht am Vortag auf den Cotopaxi geklettert und würden lange Kleidung tragen, wäre es ein herrlicher Spaß an dieser Prozession teilzunehmen.

Vor Kälte zitternd wickeln wir uns in Noahs Alpakadecke, die er sich glücklicherweise zufällig auf dem Markt gekauft hat, ein und wandeln wie zwei Nachtgespenster eng umschlungen durch die Dunkelheit. Immer wieder sprechen uns Einheimische an, denn wir sind die einzigen Touristen, die gezwungenermaßen an der Prozession teilnehmen. Ab und zu kann man auf Pickups oder Busse aufspringen, die einen ein Stück weiter vorwärts bringen, immer bis zur jeweils nächsten Straßensperre der Polizei. So gewinnen wir mit dem Fortschreiten der Zeit fast noch Gefallen an der nächtlichen Aktion und erreichen gegen 02:00 Uhr in der Nacht das Dorf „El Quinche“. Hier herrscht ein großes Gedrängel an Menschen, die alle in Richtung Kirche strömen. Die Plaza ist mit Zelten vollgestellt, überall liegen Personen schlafend oder ruhend herum. Wir versuchen uns zum Prozessionsplatz durchzuschlagen, doch dort herrscht eine derartige Menschenansammlung, dass ein Durchkommen ausgeschlossen ist. Gegen 03:00 Uhr schaffen wir es einen Bus in Richtung Quito zu bekommen. Voll bis oben hin, sodass einem jedem die Luft zum Atmen fehlt, stehen die Menschen dicht aneinander gequetscht in dem Fahrzeug. Allen steht der Schlafmangel und die körperliche Anstrengung des Wanderns ins Gesicht geschrieben, teilweise lassen sich einzelne Personen auf den Boden sinken und fallen sofort in einen unruhigen Schlaf. Dass sich der Bus natürlich nur stockend aus dem Dorf entfernen kann, versteht sich von selbst, sodass wir für die letzten 40 Minuten nun nochmals zwei geschlagene Stunden benötigen.

Um niemanden in der Casa de Ciclista zu dieser frühen Morgenstunde aus dem Schlaf zu reißen, klettern wir über den Zaun der Eingangspforte und fallen um 05:00 Uhr morgens in unserem Zelt auf die Isomatten.

Mittags werden wir von Santiago, unserem Gastgeber geweckt und auf ein abschließendes Barbecue eingeladen.

Mit anderen Fahrradfreunden sitzen wir gemütlich im Garten zusammen, lassen uns das Grillfleisch schmecken und halten ein Bierchen in der Hand. Niemand der Teilnehmenden kann glauben, was uns in der vergangenen Nacht wiederfahren ist und auch wir können nur noch über diese Nachtwanderung lachen und sind froh, unsere Beine zumindest heute keinen Schritt vorwärts bewegen zu müssen.          

Die Woche in Quito verging rasend schnell!

Comments

Ihr wart auf dem Cotopaxi, ja der Hammer!!!! Klasse und herzlichen Glückwunsch! Ich wollte es schon fast aufgeben, Deine Reise zu verfolgen ..... Alles Gute und LG Anja From Anja, on Jan 22, 2012 at 03:21PM

Pictures & Video

Fußballspiel WM-Quali mit unseren Motorradfreunden
Fußballspiel WM-Quali mit unseren Motorradfreunden
Zuschauer es passt wirklich NIEMAND mehr rein
es passt wirklich NIEMAND mehr rein
Spielszene Krankentransport ganz modern
Krankentransport ganz modern
Pyrotechnik Endstand: Ecuador (2) : Peru (0)
Endstand: Ecuador (2) : Peru (0)
Cotopaxi von der Straße aus
Cotopaxi von der Straße aus
Fahrt zum Startpunkt
Fahrt zum Startpunkt
Aufstieg zum Refugio
Aufstieg zum Refugio
das kleine gelbe Haus ist das Refugio
das kleine gelbe Haus ist das Refugio
Team-Abendessen Abendlicht schöne Farben beim Sonnenuntergang
schöne Farben beim Sonnenuntergang
Aufstieg in der Nacht
Aufstieg in der Nacht
kurze Verschnaufpause (30 sek.!)
kurze Verschnaufpause (30 sek.!)
langsam kommt das Tageslicht heraus
langsam kommt das Tageslicht heraus
ab jetzt gehts angeseilt weiter
ab jetzt gehts angeseilt weiter
hinter Noah der Schatten des Vulkans!!!
hinter Noah der Schatten des Vulkans!!!
fast am Gipfel der Krater!!! unser Team Noah am Gipfel ich am Gipfel beide stolz bis über beide Ohren
beide stolz bis über beide Ohren
Rückweg über Gletscherspalte
Rückweg über Gletscherspalte
beeindruckende Eis-/Schneeformen
beeindruckende Eis-/Schneeformen
fix und fertig wieder am Refugio
fix und fertig wieder am Refugio
Quito, historischer Stadtkern
Quito, historischer Stadtkern
Schuhputzer am Werk
Schuhputzer am Werk
auch die ganz Kleinen wollen es glänzend haben
auch die ganz Kleinen wollen es glänzend haben
Stadtbild Kirche und wir mitten drin
und wir mitten drin
Fensterfront Blick von San Francisco Kirche/Platz
Blick von San Francisco Kirche/Platz
Stadtbild ... ein letztes Mal Stromkabelgewirr, es ist unfassbar
ein letztes Mal Stromkabelgewirr, es ist unfassbar
Graffiti Beginn der Nachtwanderung in Cayambe
Beginn der Nachtwanderung in Cayambe
Menschenmassen wir zwei Nachtgespenster
wir zwei Nachtgespenster
zelten an der Plaza in „El Quinche“
zelten an der Plaza in „El Quinche“
Kirche in "El Quinche"
Kirche in "El Quinche"
Lichtermeer Basilica del Voto Nacional
Basilica del Voto Nacional
Kirchenfenster das Kircheninnere
das Kircheninnere
Lichterspiel im Ausguck von einem der Türme
von einem der Türme
Noah über Quito SEHR steile Treppen!!!
SEHR steile Treppen!!!
Ausblick
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