Tumbaco – Cayambe – Ibarra (Laguna Yahuarcocha) – Bolivar – Ipiales – Tangua – La Llana – El Estrecho – Rosas – Popayán – Cali
Um die Panamericana zu vermeiden, empfiehlt Santiago uns, entlang der alten Zugstrecke zu fahren. 23 km lang radeln wir ohne jeglichen Verkehr und Autoabgase dahin, danach tauchen wir wieder ein, ins starke Verkehrschaos der Hauptader aller Straßen durch die „Amerikas“.
Wenig später erreichen wir das Denkmal zur „Mitad del Mundo“, der „Mitte der Welt“. Blitzschnell wechseln wir so von der Süd- auf die Nordhalbkugel der Erde.
Weiter führt der Weg zur Laguna Yahuarcocha, die Bomberos (Feuerwehr) lassen uns auf ihrem Grundstück das Zelt aufbauen und wir schnappen noch einmal unsere Räder, um die Lagune zu umrunden und einen leckeren „Tilapia“ (Barsch) zu essen.
Kurz vor „Bolivar“ gibt Noahs Hinterrad ein knackendes Geräusch von sich, eine Umdrehung später eiert es dann nur noch unkontrolliert vor sich hin. Gleich mehrere Speichen sind gebrochen, an ein weiterfahren ist nicht zu denken. Unsere halbherzigen Versuche einen vorbeifahrenden Pickup zu stoppen, stellen wir schnell ein, denn laut Karte kann das nächste Dorf nicht weit entfernt sein und so machen wir uns schiebend auf den Weg dorthin. Schon beim Eintreffen halten wir Ausschau nach einem Radladen, der die Speichen tauschen könnte, doch ausgerechnet heute haben beide Fahrradläden des Dorfes geschlossen. Ein älterer Herr kümmert sich jedoch schnell um diese Angelegenheit und keine 30 Minuten später, taucht tatsächlich der Ladenbesitzer auf, öffnet die Türe zu seiner kleinen Werkstatt und hat auch schon Noahs defektes Hinterrad in Arbeit. Gleich drei Speichen sind gebrochen, weitere fünf stark beschädigt, sodass auch sie ausgetauscht werden müssen. Wenige Augenblicke später ist jedoch auch das erledigt, glücklich über einen derartig schnellen Austausch, schieben wir unsere Räder nur zwei Häuser weiter und klingeln bei unseren Freunden Ecuadors, den Bomberos, an. Ohne überhaupt eine Frage zu stellen, werden wir herzlich hereingebeten und verbringen abermals eine Nacht bei der Feuerwehr.
Die Grenze nach Kolumbien ist nun nicht mehr fern, eine Tatsache, die wir auch an den vielen farbigen Menschen auf den Straßen feststellen können. Nach einem letzten Anstieg auf 3300m Höhe und einer darauf folgenden rasanten Abfahrt, rollen wir auf die große Grenzanlage zu. Unerwartet gibt es Probleme mit meinem Pass. Der Grenzbeamte erklärt, dass man vergessen habe, mich bei der Einreise nach Ecuador in den Computer einzutragen und er mich nun nicht ordnungsgemäß austragen könne. Nachdem sich die erste Aufregung über diesen Fehler gelegt hat, ist man sich hinter der Glasscheibe derweil einig geworden, dass ich nur zwei Kopien meines Reisepasses anzufertigen habe und schon könne der Ausreisestempel auf das wertvolle Dokument gedrückt werden. Zehn Minuten später ist auch das erledigt und wir fahren auf die andere Seite der Brücke, um uns die Einreise für Kolumbien erteilen zu lassen.
Ipiales, für uns die erste Stadt im neuen Land: Kolumbien.
Es herrscht ein undurchschaubares Chaos auf den Straßen. Alte, klobige Holzkarren werden durch die engen Gassen geschoben, zwischen dem Autoverkehr fahren Pferdegespanne hindurch. Wir haben den Eindruck uns in einer völlig anderen Welt zu befinden, die uns zunächst sehr befremdlich erscheint und ein eher ungutes Gefühl in uns wachwerden lässt. Die Suche nach einer nächtlichen Unterkunft gestaltet sich derweil als eine große Herausforderung. Es gibt zwar einige Hotels in der Stadt, doch sobald wir einen Blick in das angebotene Zimmer werfen, kehren wir lieber wieder schnell zu unseren Fahrrädern auf die Straße zurück. Das meiste davon sind dunkle, schäbige, stinkende „Löcher“ mit einer einzigen Glühbirne an der Decke und einem Plumpsklo vor der Türe. Schlussendlich müssen wir mit eben solch einer Unterkunft für diese eine Nacht leben. Hinzu kommt, dass wir die einzigen Gäste sind, die ihr Zimmer bis zum anderen Morgen belegen, viel zu spät bemerken wir, dass es sich hierbei um ein Stundenhotel handelt.
Am anderen Morgen können wir es kaum erwarten ans Tageslicht zu kommen und statten der Basilica „Las Lajas“ einen Besuch mit dem Collectivo (Sammeltaxi) ab.
Eindrucksvoll erhebt sich der neugotische Kirchenbau in einer Schlucht zwischen zwei Bergen in die Höhe. Das Besondere ist die gigantische Brücke, die schon aus der Ferne gut zu erkennen ist.
Gegen Mittag satteln wir die Räder und machen uns an die Weiterfahrt. Leider geht es ab nun ohne eine meiner Gallionsfiguren weiter, das kleine braune Känguru ist nicht mehr an seinem Platz…
Auch in Kolumbien bezwingen wir nun einen Berg nach dem anderen und kurz vor „Pasto“, als die Straße wieder einmal auf 3200 m Höhe klettert, bekommen wir Besuch von zwei Rennradfahrern. Wilmar und Pedro Pablo (57 J.) begleiten uns bis zum Gipfel. Der andauernde Fragenkatalog der beiden lässt mich den Anstieg völlig vergessen und oben angekommen werde ich von beiden mit einem „Recuerdo“ (Andenken) beschenkt. Ein Kreuz aus der „Basilica Las Lajas“ nimmt nun den leeren Platz meines vermissten Kängurus ein. Die Abfahrt wollen die beiden dann nun doch etwas rasanter angehen lassen, wie den Anstieg mit uns beiden schweren Packeseln, sodass wir uns am Gipfel von einander verabschieden. Wenig später wendet sich das Blatt jedoch, denn nun ist es gerade das Gewicht, welches uns den entscheidenden Vorteil verschafft und so sausen wir winkend an den beiden vorbei. Kurz vor Eintreffen in der Stadt warten wir auf sie und gemeinsam setzen wir uns in ein Café, lassen uns ein Käsebrot und einen „Kumis“ (einheimischer Naturjoghurt) schmecken.
Der weitere Tagesverlauf gestaltet sich dann weniger schön. Zunächst bekommt Noah seinen ersten Platten im Hinterrad. Normalerweise eine schnell erledigte Angelegenheit, doch der Mantel klebt regelrecht an der Felge und ist erst nach erheblichem Kraftaufwand von uns beiden überhaupt abzubekommen. Über eine Stunde basteln wir am Straßenrand, bevor es weitergehen kann. Das Tagesziel ist damit nicht mehr zu erreichen und so müssen wir gezwungenermaßen an einem „Lavadero“ (Autowäscherei) nach Camp-Erlaubnis fragen. Schnell ist das Zelt unter dem Vordach des angrenzenden Hauses aufgebaut und wir bekommen sogar noch ein Abendessen serviert. Die folgende Nacht allerdings wird sehr unruhig. Es ist unerträglich heiß, bis zu später Stunde laufen etliche Personen an unserer Schlafstätte vorbei und die Schwertransporter brettern keine 10m von uns lautstark vorbei. Mitten in der Nacht bekommen wir plötzlich unerwünschten Besuch von zwei stark alkoholisierten Mopedfahrern, die gerade ausgerechnet neben unserem Zelt ein Schwätzchen abzuhalten haben und der beginnende Morgen zeigt sich mit Regen und Nebel, auch nicht gerade von seiner besten Seite. Wir wundern uns schon nicht mehr, dass Noahs Hinterrad abermals einen Plattfuß hat, tauschen den Schlauch und treten in die Pedale.
Trotz der Schlecht-Wetter-Aussicht am Morgen wird es ein extrem heißer und zudem unerträglich schwüler Tag. Durch grüne Hügel fahren wir dahin, bis ein Truckfahrer mit Höchstgeschwindigkeit an mir vorbeibrettert und direkt in ein mit Wasser und Schlamm gefülltes Schlagloch fährt. Von oben bis unten mit braunen Sprenkeln befleckt, gucke ich verdutzt an mir herunter und breche mit meinem Bruder zusammen in einen Lachanfall aus.
Auch die folgende Nacht verbringen wir an einem Platz der besonderen Art. Diesmal schlagen wir unser Zelt in einer Autowerkstatt auf, da weit und breit kein anderer geeigneter Ort zu finden ist. Auf dem Gelände der Polizei, welches ein gepflegtes Rasenstück zu bieten hätte, wird uns der Aufenthalt untersagt, denn „wenn sie angegriffen würden, stünden wir mitten in der Schussbahn“…
Kurz vor „Rosas“ treffen wir auf „Ute“. Die 57jährige Osnabrückerin ist ebenfalls allein mit ihrem Fahrrad unterwegs. Drei Monate hat sie sich Zeit genommen, um von Panama nach Quito zu fahren. Der kurze Plausch gibt uns die nötige Energie für den Rest des Tages, denn so haben wir zumindest das Gefühl, nicht die Einzigen zu sein, die sich bei der Hitze über die Berge Kolumbiens quälen.
Auch an diesem Abend müssen wir unmittelbar an der Straße, an einer Tankstelle campieren, die Polizei will uns auf den angrenzenden, stark verschmutzten Fußballplatz des Ortes schicken und dem Hotelzimmer ziehen wir dann doch lieber unsere eigenen vier Wände vor.
Gegen Mittag treffen wir am folgenden Tag in „Popayan“, Kolumbiens „weißer Stadt“ ein. Endlich mal wieder ein Ort, der uns gefällt und so entschließen wir uns, die folgenden Stunden an diesem schönen Platz zu verbringen. Leichter, einsetzender Nieselregen kann uns nun auch nicht mehr die Stimmung verderben, denn heute am letzten Tag im November wird bereits die Weihnachtsbeleuchtung installiert. Überall blinkt und glitzert es aus den Häuserfenstern und um die Plaza herum leuchten kitschig pinke Plastikbäume.
Vollgetankt mit neuer Energie kann es nun weiter in Richtung „Cali“ gehen. Die 136 km Strecke bewältigen wir an einem einzigen Tag, nur der starke Stadtverkehr bringt uns zu später Stunde dann doch noch etwas aus der Ruhe. Der Inhaber der ansässigen Casa de Ciclista ist telefonisch leider nicht zu erreichen, etwas orientierungslos irren wir umher, können den Stadtkern nicht finden, bis es einfach zu spät und zu dunkel zum Weiterfahren und –suchen wird. Bei der Anfrage in einem Hotel werde ich mit der Frage konfrontiert: „Für wie viele Stunden soll es denn sein?“. Als ich daraufhin entgegne, dass wir das Zimmer gerne eine ganze Nacht lang für uns hätten, „sei dies nicht möglich“.
Im Hotel derselben Klasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite kann man uns schließlich weiterhelfen. Früh am anderen Morgen machen wir uns auf den Weg ins Stadtzentrum und finden tatsächlich ein Hostal unter Schweizer Leitung. Endlich können wir uns ein wenig ausruhen, die Hängematten im Garten austesten und nach einem Rundgang im Viertel „San Antonio“, welches mit seinen bunten Häuserfassaden besticht, ist der erste Schock über die Schlafstätten-Unannehmlichkeiten in Kolumbien auch schon überwunden.
Per Internet organisieren wir die geplante Bootsüberfahrt von Cartagena nach Panama. Über Neujahr werden wir nun also gemeinsam mit unseren Eltern auf einem Katamaran entlang der „San Blas Inseln“ nach Panama fahren.