SANTANA-Katamarantour
Die einzige Lücke der ansonsten durchgängigen Straßenverbindung zwischen Nord- und Südamerika auf der Panamericana: das „Darién-Gap", spanisch „Tapón del Darién“ genannt, gilt es nun zu überbrücken.
Im Nordwesten von Kolumbien sowie im Osten von Panama endet die Panamericana in Sandwegen. Auf einer Strecke von circa 100 Kilometern gibt es keine Straßenverbindung. Diese sumpfige Dschungelregion lässt sich daher nur auf dem Wasserweg überwinden.
Als Grund für das bisweilige Nichtvollenden der Strecke werden verschiedene Aspekte angeführt. Zunächst ist das Terrain bergig und von zahlreichen Wasserläufen, bis hin zu Sumpfgebieten durchzogen. Ein Bau vieler Brücken wäre somit erforderlich und würde gleichzeitig einen sehr hohen finanziellen Aufwand bedeuten. Schwerwiegende Umweltschäden gelten infolge des Baus als das tiefgreifendste Argument. Einen weiteren Hinderungsgrund stellen die im kolumbianischen Gebietsteil immer noch aktiven Guerillagruppen der ELN und FARC da.
Fliegen kommt für mich persönlich nicht in Frage und so bleibt allein der Wasserweg übrig.
Es wäre auch zu schade, das "Archipiélago de San Blas", welches aus 365 kleinen Inseln im karibischen Meer besteht, nur aus dem Flugzeug heraus anschauen zu können, ohne einmal an Land gegangen zu sein. Bewohnt und verwaltet werden die Inseln von den "Kuna”, einer indigenen Ethnie Panamas. Dabei sind nur einige wenige der Inseln überhaupt für den Tourismus freigegeben.
Schon seit längerer Zeit haben Noah und ich sämtliche Internetseiten der vertretenen Segelboote bzw. Katamarane, die diesen Trip anbieten, durchforstet. Schlussendlich blieb für unseren vorgesehenen Zeitpunkt schlichtweg nur ein Katamaran übrig: die SANTANA.
Ein gut 14 Meter langer und 6 Meter breiter Katamaran des deutschen Kapitäns, Gisbert.
Mit insgesamt 16 Passagieren ist die Überfahrt vollständig ausgebucht und es wird eng an Board. Die Fahrräder finden an Deck unter einer Plastikplane Platz und wir vier verschwinden in einer der vorderen Kajüten, welche in die beiden Rümpfe hineingebaut sind.
Cartagena verlassen wir aufgrund der Reisepassangelegenheiten mit reichlicher Verspätung. Ursprünglich war geplant am späten Nachmittag den Hafen zu verlassen, doch es ist schon dunkel, die Lichter am Ufer glitzern vor sich hin, als wir endlich in Richtung Panama starten.
Lange sitzen wir noch vorne an Deck, schauen uns das Verlassen des Hafenbeckens und den grandiosen Sternenhimmel über uns an, bevor es dann doch ein wenig zu frisch wird, um weiterhin draußen sitzen zu können. Kaum haben wir die letzten Häuser am Ufer passiert und sind auf das weite Meer hinausgefahren, beginnt der Katamaran zu schaukeln und zu schwanken.
Zwei volle Nächte lang sowie den dazwischenliegenden Tag, gilt es nun regelrecht zu “überstehen”. Meine Mutter und Noah werden trotz Medikamenteneinnahme derartig heftig von der Seekrankheit eingenommen, dass sie zitternd und schwitzend die Ankunft herbeisehnen. Durch den starken Flüssigkeitsverlust zeigen beide Gefäßverkrampfungen auf. Noahs Hände sind zeitweilig derartig betroffen, dass er sie nicht mehr eigenständig öffnen kann. Das T-Shirt klebt vor Schweiß an seiner Haut, Wasser rinnt ihm die Stirn herunter und aus seinem Gesicht ist längst alle Farbe verschwunden. Eine widerlich schmeckende Salz-Tee-Lösung bringt beide in letzter Minute wieder auf Trapp.
Ich dagegen laufe von einem Familienmitglied zum nächsten, versuche mein bestmöglichstes in Richtung Hilfeleistung zu tun und werde zeitgleich selber von einem Übelkeitsanfall übermannt. Mein Papa liegt derweil regungslos auf dem Kajütenbett und versucht mit dieser Taktik, die Überfahrt zu bewältigen.
Nach etlichen Stunden des Leidens ist es dann soweit: Land in Sicht!!!
Gleich drei kleine Inseln des San-Blas-Archipels tauchen vor unseren Augen auf. Trotz starker Bewölkung und einer frischen Brise können wir vor Anker gehen. Das unangenehme Schaukeln des Katamarans nimmt damit für die folgenden Stunden ein Ende. Aufatmen bei den Seekranken ist angesagt.
Bis zum dritten Tag müssen wir warten, um das türkisblaue Leuchten des Karibischen Meeres bewundern zu dürfen. Endlich scheint einmal die Sonne!
Mit dem Katamaran fahren wir nun von einer Inselgruppe zur nächsten, bleiben für ein paar Stunden mit dem Boot liegen und können schwimmen gehen. Gleizeichtig befindet sich auch noch ein Kanu sowie Schnorchelausrüstung an Board, mit dem wir uns auf die Suche nach bunten Fischen und Korallen begeben.
Ganz besonders gefällt uns das Schnorcheln an einem alten Schiffswrack. Eine derartige Farben- und Artenvielfalt an Fischen habe ich noch nirgendwo sonst zuvor zu Gesicht bekommen. Handtellergroße, rote Seesterne liegen oft ganz nah am Inselufer und können zur Freude meiner Eltern auch ohne jede Ausrüstung bewundert werden. Die Landgänge auf den Inseln sind dagegen eher eine kleine Enttäuschung. Leider liegt selbst hier, weit ab von jeglicher Massenzivilisation, jede Menge Müll am Strand. Von Plastikflaschen über Bierdosen und einzelnen Schuhen ist fast alles zu finden. Vorsicht gilt es ebenfalls bei dem Herumwandern unter Kokosnusspalmen walten zu lassen. Meine Mama läuft leichten Fußes auf dem feinen Sandstrand einer Insel nichtsahnend umher, da fällt keine 50 cm neben ihr eine fußballgroße Kokosnuss auf den Boden. Sprachlos wirft sie uns einen verwunderten Blick zu. Das ist gerade noch einmal gut gegangen!
Am Mittag sowie am Abend wird zweimal für die gesamten Passagiere warm gekocht. Luis (Schiffsjunge) und Gisbert (Kapitän) warten jedesmal mit neuen Kreationen auf und lassen uns Staunen, was in solch einer kleinen Küche, teilweise auf schwankender See, alles zubereitet werden kann.
Die restliche siebenstündige Überfahrt nach Panama verläuft wesentlich ruhiger als die Hinfahrt zu den Inseln. Niemand wird seekrank und so können wir zumindest ein wenig aufs Meer hinausschauen, ohne ständig über der Reeling zu hängen.
Als wir am Nachmittag des sechsten Tages wieder Land unter den Füßen spüren, scheint es gar so, als ob sich nun auch dieser Boden unter uns bewegen würde. Wenige Stunden später legt sich das Gefühl aber wieder und wir freuen uns, ein neues Land betreten zu haben: Panama
Insgesamt müssen wir alle jedoch sagen, dass wir leider ein wenig enttäuscht über den Katamaran-Trip durch die Karibik sind. Sicherlich hat auch das überwiegend bewölkte und teilweise mit Regen versetzte Wetter dazu beigetragen, dass die Tour nicht ganz unseren Vorstellungen von einer Fahrt in der Karibik entsprach. Der viele Abfall an den Stränden, die touristische Erschlossenheit der Inseln (auf einer Insel steht sogar ein Helikopter) sowie die stark begrenzte Bewegungsfreiheit an Deck, stehen dem gewonnenen Karibikfeeling, unserer Meinung nach, allzu negativ gegenüber.