Panama City – Nueva Gorgona – Aguadulce – Sonã – Playa Las Lajas – Allouata Lodge – Polizeicheckpoint Los Planes – Palma Real – Almirante
Aus Panama City heraus zu fahren, ist keine einfache Sache, benötigt viel Zeit, strapazierfähige Nerven und einen guten Stadtplan. Letzteres ist leider Fehlanzeige bei uns und so dauert es nicht lange bis wir im allgemeinen Verkehrschaos feststecken. Über Brücken bahnen wir uns unseren Weg zwischen den Wolkenkratzern hindurch und gelangen nach „Casco Viejo", der Altstadt. Hier wissen wir nun definitiv nicht mehr weiter, unser erstes Ziel, die „Puente de los Américas“ ist aus unserem Sichtfeld verschwunden. Glücklicherweise fahren wir direkt in die Arme eines Verkehrspolizisten, der uns auch sogleich zum Anhalten bringt. Eine Weiterfahrt inmitten der vor Ungeduld hupenden Autofahrer möchte er nicht verantworten, ebenso wenig, wie die alternative Fahrt durch die Slumgebiete der Großstadt. Kurzerhand werden die Kollegen gerufen und treffen keine zehn Minuten später mit einem Kleinbus ein, welcher uns als „Follow-me-car“ bis zur Auffahrt der Puente de los Américas geleitet.
Bis 2004 war sie die einzige Verbindung der Hauptstadt mit dem westlichen Teil des Landes und galt jahrelang als eine der längsten und höchsten Brücken der Welt. Bei 1,6 km Länge und 118 m Höhe nicht verwunderlich. Von dem gigantischen Bau beeindruckt fahren wir, abermals in starkem Verkehr, über diese Bogenbrücke. Unter uns zeigt sich der Panamakanal und von einer Aussichtsplattform auf der anderen Seite können wir aus der Ferne den Schiffsverkehr beobachten.
Nachdem wir den Stadtverkehr nun hinter uns gelassen haben kommen wir schneller voran, fahren auf der autobahnmäßig ausgebauten Interamericana in Richtung „Nueva Gorgona“ und befinden uns am frühen Abend tatsächlich am Strand. Einfach Unterkünfte gibt es nicht, dafür nimmt uns jedoch ein sehr herzlicher Cabañabesitzer in seinem Haus auf. Kostenlos dürfen wir ein Doppelbett beziehen, rollen jedoch erst einmal unsere Isomatten über der dünnen Matratze aus, denn bequem und hygienisch ist es nicht wirklich. Rundum zufrieden stürzen wir uns nach diesem ersten gemeinsamen Radeltag ins Meer, genießen den Sonnenuntergang im Wasser und können uns den schwarzen Ruß der Autoabgase abwaschen. Eine anschließende Dusche aus Plastikeimern spült auch das Salzwasser von unserer Haut, sodass einem geruhsamen Schlaf nun nichts mehr im Wege steht und mit den 100 zurückgelegten Kilometern an diesem Tag, dauert es nicht lange, bis wir beide eingeschlafen sind.
Fünf Kilometer fahren wir am folgenden Morgen auf Schotter wieder zur Hauptstraße zurück und gerade diese holperige, kurze Strecke bringt meine Halterung der hinteren Ortliebtasche zum Brechen. Schlichtweg ein Zeichen für Überbeladung. Seitdem mich mein kleiner Bruder verlassen hat und ich nun wieder mein gesamtes Gepäck selber zu tragen habe, spüre ich das zusätzliche Gewicht nicht nur deutlich, sondern kann die Fahrradtaschen auch kaum mehr schließen. Bei der nächsten Gelegenheit muss ich aussortieren!
Zum Frühstücken finden wir erst nach bereits dreißig gefahrenen Kilometern einen kleinen Supermarkt, der uns mit ein paar Keksen, Limo und Wasser aushelfen kann.
Die Strecke ist hügelig, mit starkem Verkehr und dazu herrscht eine unerträgliche Hitze. Wir bemühen uns, die Interamericana so schnell wie möglich verlassen zu können und fahren über sieben Stunden lang bis wir den Fahrrädern und uns eine nächtliche Pause genehmigen.
Erst am kommenden Tag finden wir eine Nebenstraße in Richtung „Sonã“ und werden sofort mit deutlich geringerem Verkehr und schönerer Landschaft belohnt.
Die ständigen Bemerkungen vom Straßenrand gehen uns dagegen mächtig auf die Nerven. Es wird gepfiffen und gerufen was das Zeug hält: „Gringa“ (Ausländerin), „Bonita“ (Hübsche) oder einfach nur „Good Morning“ (ganz unabhängig von jeglicher Tageszeit) zählen zu den Favoriten der Panamesen.
Des Weiteren müssen wir feststellen, dass uns öfters eine derartige Lust- und Antriebslosigkeit der Einheimischen entgegen schlägt, ja man könnte es schon fast als Unfreundlichkeit bezeichnen, welche es uns erschwert, das Land und seine Bewohner lieben zu lernen.
Ohne weiteren Aufenthalt bahnen wir uns daher den direkten Weg in Richtung Norden weiter, die verkehrsärmere Nebenstraße verwandelt sich nach 20 km allerdings in eine kleine, staubige Schotterpiste, die an winzigen Ortschaften vorbei führt. Es wird sogar noch hügeliger, wie schon die Tage zuvor, sodass wir teils zum Schieben gezwungen werden. Beide gerade neben unseren Rädern, kommt uns ein Pickup entgegen. Die drei Amerikaner Eddy, Jack und Mike, befinden sich eigentlich auf Grundstücksausschau, bieten uns aber sofort an, die Räder samt Gepäck aufzuladen und uns zum Tagesendziel, dem „Playa Las Lajas“ zu fahren. Völlig verschwitzt nehmen wir das Angebot dankend an und müssen schnell feststellen, dass wir den Weg bis an den Strand an diesem Tag niemals mehr hätten bewältigen können. Allein bis zur Kreuzung brauchen wir im Auto eine gute halbe Stunde auf schrecklicher Schotterpiste und von dort ist es ebenfalls noch einmal ein gutes Stück bis zur Strand-Einbiegung. Die letzten drei Kilometer schwingen wir uns dann wieder in den Sattel, winken unseren herzlichen Helfern hinterher und genießen einen wunderschönen Abend mit Strand, Meer, Pool, frischem Fisch und netter Begleitung aus Kanada.
Vor dem Frühstück springt Corinna noch einmal schnell ins Wasser und schon befinden wir uns wieder auf der Route. Del, der Kanadier, hat uns die Adresse einer besuchswerten Affenrettungsstation mitgegeben, an der wir vorbeikommen würden. Für uns eine gelungene Abwechslung und so befinden wir uns, nachdem wir das Schild mit der richtigen Abzweigung beinahe übersehen hätten, vier Stunden später in der Gesellschaft von einer reizenden Brüllaffenfamilie sowie den Grundstücksinhabern, Steve und Michelle.
Es dauert nicht lange, da klettern uns die Affen auch schon auf die Schulter, während wir am Boden von einem Nasenbärbaby in die Knöchel gezwickt werden. Es wird ein herrlicher Nachmittag in bester Gesellschaft. Beide kommen wir aus ständigem Lachen und angeregter Unterhaltung kaum dazu die Fahrräder abzuladen und das Gepäck zu verstauen. Schlafen werden wir in einer Art Bambushütte mitten im Dschungel. Allein ein vor dem Panoramafenster angebrachtes Moskitonetz trennt uns von der Natur und ihren aufregenden Geräuschen. Doch zuvor schauen wir den sogenannten „Alouatta's“ (Brüllaffen) bei ihrem Obstmahl zu. Vor lauter Genuss laut schmatzend ist dies eine Angelegenheit von wenigen Minuten. Wir dagegen wollen uns mit Keksen und Kaffee an den Gartentisch setzen, doch da haben wir die Rechnung ohne die Tiere gemacht. Flink klettern sie an uns herauf, wollen einem gar den Keks aus der Hand stibitzen und schrecken auch vor dem heißen Kaffee nicht zurück. Es gilt Augen und Ohren offen zu halten!
Später, es ist schon dunkel und die Alouatta’s haben sich in ihr Revier zurückgezogen, dürfen auch wir ein hervorragendes Abendessen genießen. Michelle hat extra für uns Radler eine übergroße Portion Nudeln mit Hähnchen, Spinat, Brokkoli und Zuckerschoten gezaubert. Das Ganze noch in Sahne und mit Käse überbacken ist es das beste Essen, welches ich seit Reisebeginn zu mir nehmen durfte.
Steve und Michelle sowie ihre beiden Kinder, Gerrit und Rebecca, kommen ursprünglich aus England, lebten für eine Zeit in Australien sowie Südafrika, bevor es sie nach Panama auf dieses Grundstück gezogen hat. Die Affen kamen zufällig dazu. Anfangs habe es sich dabei um die Aufnahme und Verpflegung von verstoßenen Affenbabys und verletzten Tieren gehandelt, mittlerweile kommen und gehen die Alouatta’s jedoch von ganz alleine. Kein Zaun trennt sie von ihrer Natur und so verschwinden sie jeden späten Nachmittag in den naheliegenden Baumwipfeln der Wälder, bevor sie am nächsten Tag wiederkommen. Die Gruppenmitglieder ändern sich durch diese unendliche Freiheit von Zeit zu Zeit.
Allein der kleine Nasenbär scheint sich noch nicht auf den Weg in sein Schlafrevier begeben zu wollen. Den ganzen Nachmittag über ist er zwischen uns allen hin und her gewuselt und hat dabei versucht, so oft wie möglich, jemanden in die Füße beißen zu können. Von den Besitzern ursprünglich „Princesa“ (Prinzessin) getauft, habe ich sie kurzerhand, aufgrund der zahlreichen Attacken, in „Devil“ (Teufel) umbenannt. Jetzt allerdings, am Ende des Tages, scheint auch sie müde geworden zu sein und hat sich friedlich auf meinem Schoss zusammen gerollt.
Bevor wir uns schlafen legen, zeigt uns Steve bei einer kleinen Nachtwanderung zahlreiche Spinnen und Skorpione sowie ein großes Wespennest im Garten. Darunter eine sogenannte „Phoneutria“ oder auch brasilianische Wanderspinne genannt. Sie gilt als sehr aggressiv und hochgiftig.
Affengebrüll und wärmende Sonnenstrahlen wecken uns am Morgen. Auf den kleinen Feldbetten haben wir zwar nicht gerade bequem, aber dennoch ausreichend Schlaf finden können. Nach einigen Bananenmuffins und Kaffee verabschieden wir uns von der herzlichen Familie und natürlich auch von den Affen und Princesa/Devil. Es war ein einmaliges Erlebnis an diesem Fleckchen Erde gewesen sein zu dürfen und so geht es mit vollem Elan und neuem Schwung an den drei Kilometer langen sowie teilweise extrem steilen Downhill vom Grundstück zurück zur Straße. Zum zweiten Mal bricht die Schraube meiner Packtasche, doch das ist schnell erledigt und schon kann es auf Asphalt weiter gehen.
Von der Pazifikseite wollen wir nun an die Karibik, um von dort einen Abstecher zu den kleinen Inseln „Bocas del Toro“ zu machen, bevor es im Anschluss nach Costa Rica weitergehen wird.
Leichter gesagt als getan! Uns erwartet ein brutaler Anstieg von durchschnittlich 8 – 10% Steigung. Beide kommen wir schnell an unsere Grenzen und werden zum Schieben gezwungen. Bei mir ergibt sich zwangsläufig die Einsicht, dass ich mich von einigen Dingen werde trennen müssen, denn mit diesem Gepäck, werde ich die Steigungen allesamt laufen müssen…
Je weiter wir in die Berge kommen, umso mehr nimmt auch der Wind zu. Ein Auto stoppt neben uns und warnt vor einem regelrechten Unwetter mit Sturm und Regen am Gipfel. Notgedrungen müssen wir jedoch weiter, uns zeigt sich ein wunderschöner über die gesamte Straßenbreite verlaufender Regenbogen. Die Steigung zehrt an den Kräften, hinzu kommt nun die Kälte und der Regen. Einfach zu erschöpft von allem, schieben wir die Räder schweigend vor uns hin bis wir noch einmal das Glück haben auf einen Pickup aufladen zu können. Nach ca. drei Kilometern gelangen wir an einen Polizei-Checkpoint und laden die Fahrräder wieder ab. Mitten im strömenden Regen erkundigen wir uns nach der kürzesten Entfernung zu einer Unterkunft, doch dies scheint schier aussichtslos. Mittlerweile ist es schon 17:30 Uhr, wir sind nass, zittern vor Kälte und stehen ein wenig ratlos vor den Beamten, bis diese anbieten unsere Isomatten in ihrer Unterkunft ausrollen zu dürfen. Wenig später haben wir das kleine Zimmerchen auch schon in Beschlag genommen, das Nachtlager ist aufgebaut, eine Dusche gibt es ebenfalls und auf meinem Benzinkocher köchelt eine heiße Tütensuppe vor sich hin, während draußen der Sturm zu heulen beginnt.
Die ganze Nacht über bekommen wir durch die lautstarke Geräuschkulisse des Unwetters kaum ein Auge zu und auch am Morgen hat sich die Wetterlage nicht wirklich verbessert, sodass wir gleich unsere Regensachen anziehen. Das Frühstück in Form von Müsli und Milch, welches wir im angrenzenden, einzigen, kleinen Lädchen an diesem Straßenpunkt erstehen, wird uns durch den starken Wind fast ins Gesicht gepustet. An Radfahren ist nicht zu denken und so stoppe ich kurzerhand einen vorbeifahrenden Pickup, der uns gegen eine geringe Gebühr hinter den Gipfel bringt. Zum dritten Mal müssen wir innerhalb kürzester Zeit auf einen Autotransport zurückgreifen, doch bei diesen Bedingungen wäre es eine Qual gewesen, es aus eigener Kraft meistern zu wollen.
Wir werden bis zur „Laguna Fortuna“ gebracht. Anstatt einer schönen Lagune erwartet uns jedoch nur ein hässlicher Staudamm. Wir laden die Räder ab, spüren nur noch einen leichten Windzug im Gesicht und sind froh, dem Unwetter auf der anderen Seite des Berges gerade noch einmal entkommen zu sein. Weitere zehn Kilometer führt die Straße vom Staudamm bergauf, bevor wir den höchsten Punkt erreicht haben. Zu Mittag finden wir ein kleines Restaurant und am Abend dürfen wir bei einer Familie in einem leerstehenden Raum übernachten. Man will sogar noch ein Bett für uns zusammenbauen, doch dies lehnen wir dankend ab und rollen schnell unsere Isomatten auf dem Boden aus.
Draußen blinkt und glitzert es in den Bäumen vor sich hin, bis wir bei näherer Betrachtung feststellen, dass es sich um ganze Scharen von Glühwürmchen handelt.
Der folgende Tag erwartet uns mit Sonnenschein und so können wir in der angenehmen Wärme frühstücken. An der ersten Straßenkreuzung angelangt verliert mein Vorderreifen die Luft und ich kann erst einmal an der Bushaltestelle mein Flickzeug auspacken. Doch bei diesem Wetter macht auch das nichts aus.
Hügelig geht es weiter und hinter einer Bergkuppe trauen wir unseren Augen kaum. Zwei Radfahrer befinden sich auf dem Weg in entgegengesetzter Richtung, fahren also genau auf uns zu. Die vollschlank gebaute Frau des deutschen Pärchens kommt zudem auf einem winzigen, stark beladenem Klapprad daher gefahren. Selber von der Anstrengung völlig verschwitzt verschlägt uns dies geradezu den Atem.
Nach weiteren zwanzig Kilometern haben wir es dann geschafft, statten dem Supermarkt von Almirante einen Besuch ab und begeben uns sofort auf das Schnellboot, welches uns nach „Bocas del Toro“ bringt.
Einem kurzen Karibikaufenthalt steht nun nichts mehr im Wege.