Granada - Somotillo

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Somotillo, Chinandega, Nicaragua
Thursday, February 9, 2012

Granada – Casa Colorado – León – Chinandega/Mechapa – Somotillo

Granada, Nicaraguas drittgrößte Stadt und der 05.02.2012, mein 24. Geburtstag!

Den Morgen verbringe ich mit dem Lesen von Geburtstagsglückwünschen, dem Öffnen von Videobotschaften mit Ständchen-Gesang und einem Skype-Gespräch zu meiner Familie nach Deutschland. Danach geht es zum Frühstücken ins „Garden Café", wo Corinna und ich es uns bei toller Musik sowie leckerem Essen richtig gut gehen lassen. Nach einem Strandspaziergang am Lago Nicaragua, an welchem sich heute scheinbar nahezu alle Einheimischen aus der Umgebung zum Sonntagspicknick eingefunden haben, treffen wir zufällig auf „Radim", einen slowenischen Radreisenden. Mit seinem Liegerad fährt er von Mexiko nach Costa Rica und leistet uns heute Abend bei einem Geburtstags-Cocktail Gesellschaft.

So vergeht der wunderschöne Tag schnell und obwohl er durchweg von positiven Ereignissen geprägt ist, kann ich doch die Augen vor der Realität in Bezug auf das neue Land Nicaragua nicht verschließen.

Schon auf den wenigen Kilometern von Costa Ricas Grenze bis hierher ist uns aufgefallen, dass wir nun wieder in einem viel ärmeren Land unterwegs sind. Die Straßen werden von Abfallbergen gesäumt, die Autos und Motorräder haben sich vorwiegend in Pferdekarren und Fahrradrikschas verwandelt, die Menschen wirken mager und tragen oft schmutzige Kleidung am Leib.   

Nicaragua, das Land der tausend Vulkane, gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und dies ist auch für uns deutlich sichtbar. 50 % der Bevölkerung lebt in Armut, in der Landbevölkerung steigt dieser Anteil sogar bis auf 70 %, heißt es. Es herrscht die größte Pro-Kopf-Verschuldung der Welt und die Arbeitslosigkeit beträgt um die 80 %. Zahlen, die uns unbegreiflich erscheinen.

Am nächsten Tag legen wir in „Masaya“ einen kurzen Zwischenstopp ein, denn hier hat jemand eine ganz originelle Geschäftsidee verwirklicht. Auf ca. 3 m hohen, bunt bemalten Holzstühlen kann man in erhabener Höhe genüsslich seinen Fruchtsaft trinken und das Treiben auf dem Platz aus einer anderen Perspektive beobachten. Gerade wieder hinabgestiegen machen wir uns mit den Rädern auf den Weg zum Aussichtspunkt der „Laguna de Apoyo“. Von oben kann man auf der anderen Seite sogar die Stadt Granada erblicken, ein toller Ausblick!

Am Mittag, wir stehen gerade vor einem Supermarkt und während ich im Laden verschwunden bin, passt Corinna auf die Fahrräder auf, bekommt unser Stimmungshoch einen tiefen Kratzer. Ein böser Unbekannter besitzt die Frechheit meine Freundin von einer Mauer aus, mit Ketchup voll zu spritzen. Mit Servietten versuchen wir das Gröbste zu beseitigen, doch dunkle Flecken bleiben zurück und auch unsere Gemüter haben etwas abbekommen, sodass wir in Zukunft zunächst mit einer gehörigen Portion Misstrauen unseren Mitmenschen gegenüber stehen.  

Wenig später, wir halten schon nach einer möglichen Bleibe für die kommende Nacht Ausschau, begegnen wir zwei Backpackern, die an einer Bushaltestelle warten. Verwundert radeln wir auf sie zu und fragen nach, was sie denn hier „ins Nirgendwo“ verschlagen habe und ob sie vielleicht wüssten, ob wir bald auf ein Hotel o.ä. stoßen würden. Als Antwort kommt ein gereiztes: „Wir können es euch nicht sagen, wir mussten die Augen zu halten“. Völlig perplex über den Tonfall und den Antwortinhalt kann ich es nicht lassen und muss genauer nachfragen, bis ich das Unbehagen und die Angst der Beiden an ihrer Körpersprache ablesen kann. Mit fest an die Brust gepressten Rucksäcken stehen sie dort, wo sie vor wenigen Minuten von der Polizei entlassen wurden, um nun auf einen Anschlussbus nach Granada zu warten. Wir stehen zwei schweizerischen Opfern eines Raubüberfalls gegenüber, man bedrohte sie mit einem Messer. Viel Trost können wir nicht spenden, erwecken jedoch die Vorfreude auf die Kolonialstadt Granada ein wenig und machen uns wieder auf den Weg. Der Vorfall unterstreicht für uns die Wichtigkeit einen sicheren Schlafplatz zu finden!

Doch genau dies erscheint eine nahezu unlösbare Aufgabe in Nicaragua zu werden. In bedeutungslosen, winzig kleinen Dörfern wird eine erschreckend hohe Summe von 30 bis hin zu unverschämten 75 US-Dollar für eine Nacht verlangt. Campen dagegen wird nicht gestattet. So ist es schon fast dunkel, als uns der Missionar „Luis Amador“ in seinen Räumlichkeiten aufnimmt.

Doch auch er macht dies nicht aus reiner Gastfreundlichkeit, sondern verlangt am Morgen ebenfalls 20 Dollar Übernachtungsgebühr, die ich gerade noch einmal auf 10 Dollar hinab setzen kann.

Uns erwartet nun eine schöne Abfahrt mit Aussicht auf die umliegenden Vulkane im Morgennebel. Gefrühstückt wird an der Tankstelle und weiter geht die Tagestour nach León, durch knochentrockene Landschaft und über teilweise miserablen Straßenbelag mit badewannengroßen Schlaglöchern.

15 km vor „Chinandega“ fängt Corinna's Hinterrad plötzlich an zu schleifen und herum zu eiern. Ein kurzer Blick und ich erkenne die Ursache schnell, sind die Symptome doch gleich wie bei Noah's Rad, ein paar Monate zuvor in Ecuador. Drei Speichen sind gebrochen und müssen ausgetauscht werden. In dem Städtchen finden wir am Mercado einen einfachen Mechanikerstand. Vertrauenserweckend schaut dieser jedoch nicht gerade aus. Eine Hand voll Teenager-Jungs werkelt an ein paar Fahrrädern herum, doch wir haben keine andere Wahl. Bejahend nicken sie, als wir fragen, ob sie uns drei Speichen austauschen könnten. Das erste Problem lässt leider nicht lange auf sich warten und wir stehen allesamt ratlos am Straßenrand herum: „Wie nimmt man bloß die Scheibenbremsen ab?“. Ungeduldig biegt unser Mechaniker die Ersatzspeiche auf’s Äußerste und fädelt sie in die Felge ein, Corinna und mir bricht dabei der Schweiß aus. Doch es kommt noch schlimmer: die mitgebrachten Speichen aus Deutschland sind zu kurz!!!

Hier in Nicaragua besitzen jedoch alle Fahrräder die Standart-Radgröße von 26 Zoll und Corinna benötigt 28 Zoll- Speichen. Schnell flitzen ein paar der Jungs in die umliegenden Radläden und versuchen die richtige Größe aufzutreiben, doch ohne Erfolg. Immerhin sind die Scheibenbremsen mittlerweile ordnungsgemäß abgenommen und einem Einspeichen würde nichts entgegen stehen. Verärgert und verzweifelt müssen wir die zu kurzen Exemplare aus dem Kölner Fahrradgeschäft verwenden und inständig darauf hoffen, dass sie halten, bis die richtigen Ersatzteile gefunden sind.

Nach einer guten Stunde fahren wir an die Straßenkreuzung zurück und füllen unsere Wasservorräte an der dortigen Tankstelle auf. Zufällig treffen wir so auf die beiden Kanadier, Tony und Joan. Sie besitzen in ihrer Heimat einen Imkerbetrieb mit weltweitem Export und verbringen den kanadischen Winter in Nicaragua am Strand. Hier haben sie ein Grundstück erworben und stehen nun zugleich in engem Kontakt zu den Einheimischen vor Ort. Ein für sie wichtiger und unerlässlicher Faktor, denn sie stellen Nicaraguaner als Arbeiter in ihrem Betrieb in Kanada ein.

Nachdem wir unsere Geschichte vom erfolglosen 28 Zoll-Speichen-Austausch vorgetragen haben, bietet Tony uns an, zu einem großen Radladen zu bringen, wo wir mit Sicherheit fündig werden würden. Dies lassen wir uns kein zweites Mal sagen, verladen die Fahrräder samt Gepäck auf die Ladefläche des geräumigen Pick-ups und machen uns auf den Weg. Leider verschwindet die Hoffnung auf passende Ersatzteile schnell, als wir uns dem Laden nähern. Es sind mehrere Marktstände mit Fahrradteilen entlang der Straße, die alle dasselbe verkaufen und nur auf die herkömmlichen Räder spezialisiert sind. Doch so schnell gibt Tony nicht auf, steuert eine Werkstatt an, die scheinbar eine Maschine besitzen würde, die die zu breiten einheimischen Speichen auf das passende Maß zu schneidern könnte… schade nur, dass das Gerät derzeit nicht funktionsfähig ist.

So fahren wir zwei Stunden die gesamte Stadt, jeden noch so kleinen Fahrradladen und -werkstatt ab und stehen letztendlich mit leeren Händen da. Zum Weiterfahren ist es mittlerweile zu spät geworden und so nehmen wir das Angebot von Tony und Joan dankend an, eine Nacht bei ihnen am Strand zu verbringen.

Nach einem schnellen Einkauf machen wir uns auf den Weg. Weitere 1 ½ Stunden sitzen wir im Wagen und legen die letzten 13 km auf einer versandeten Schotterpiste zurück, bis wir das Grundstück erreichen. Mit den Fahrrädern wären wir hier niemals hingekommen.

Nachdem die Einkäufe verstaut und das Gepäck abgeladen ist, kann uns nichts mehr davon abhalten, auf direktem Wege ins Meer zu laufen und den Sonnenuntergang zu genießen. Doch heute sollen wir einfach kein Glück haben, es brennt unangenehm am gesamten Körper, der sogenannte „Jellyfish“ (Qualle) ist ausgerechnet an diesem Abend im Wasser und nesselt sich an unserer Haut fest. Die zahlreichen, am Strand liegenden, toten Exemplare hätten uns eigentlich davor warnen müssen, schwimmen zu gehen, lehren uns die beiden nicaraguanischen Nachbarn schmunzelnt.

Eine frisch von der Palme gepflückte Kokosnuss entschädigt für die negativen Tagesereignisse und den Abend verbringen wir mit einem Glas „Cuba Libre“ im Schaukelstuhl. Das Mond- und Wolkenschauspiel ist herrlich anzusehen und beruhigt die strapazierten Nerven.

Um 05:30 Uhr werden wir am Morgen von Tony geweckt, ein kleines Frühstück im Magen und schon kann es 1 ½ Stunden im Auto zurück nach Chinandega gehen. Vor unserer Abfahrt zeigt er uns noch stolz seinen Cashewbaum. Dieser bringt Früchte hervor, die fast so groß wie Äpfel sind und doch sind es nur Scheinfrüchte, denn der Kern ist das Geheimnis. Pro Frucht gibt es nur einen Kern, woher auch der teure Verkaufspreis zu Stande kommt. Die Cashewnuss ist eben keine Nuss, sondern sie ist die einzige bekannte Frucht, die ihren Kern außerhalb der Frucht trägt. Essen kann man die an der Frucht wachsenden Kerne ohne vorherige Zubereitung jedoch nicht. Sie müssen zunächst geröstet und im Anschluss geschält werden… ein aufwendiger Prozess.

Wieder auf der Strecke, können auch wir einige Cashewbäume am Straßenrand entdecken, man muss eben wissen, wonach man Ausschau halten soll. Die Region gilt als „heißeste des Landes“ und dies ist auch jedem Grashalm förmlich anzusehen. Neben den Cashews gibt es Erdnüsse, Baumwolle, Bananen und Zuckerrohr, trotz der Hitze ist hier mit viel Fleiß der Einwohner fruchtbares Land entstanden.

Am frühen Nachmittag erreichen wir „Somotillo“, die Grenzstadt Nicaraguas und quartieren uns in einem Hotel ein. Zum Weiterfahren inklusive dem Erledigen der Grenzformalitäten wäre es zu spät geworden, denn wir wollen nicht noch einmal, wie an unserem ersten Abend in diesem Lande, in die Not geraten, keinen sicheren Schlafplatz finden zu können.

Seitdem wir Nicaragua betreten haben, sehen wir des Öfteren Schuhe über den Stromkabeln der Straßen hängen. Mir gefallen diese kleinen Kunstwerke am Straßenrand, laden sie mich doch immer zu einem Fotostopp ein, doch was ist der Sinn dieser Aktion???

Ein schneller Blick ins Internet (http://www.shoefiti.com/) hilft weiter. Es handelt sich um sogenannte „Shoefiti’s“, ähnlich wie Graffiti’s, sind sie ein Phänomen der Straßenkunst, welches weltweit zu beobachten ist. In Deutschland ist Berlin Hochburg dieses Trends. Erklärungsansätze gibt es viele, im Ursprungsland Schottland, ist es Brauch der Männer, ihre Schuhe ins Fenster zu hängen, sobald sie nicht mehr jungfräulich sind. Im Stadtteil Bronx von New York City dagegen, sollen baumelnde Schuhe ein Drogengebiet markiert haben und Straßengangs sollen Schuhe an Orten hinterlassen haben, an dem eines ihrer Mitglieder getötet wurde.       

Hoffen wir mal, dass Letzteres für Zentralamerika nicht zutreffend ist und wir uns in keinem Drogengebiet befinden.

Somotillo hält dagegen noch weitere Überraschungen bereit. Am Markt treffen wir an einem Stand auf lebendige, buntgefärbte Küken. Ein seltsamer Anblick, doch der Besitzer erklärt, dass er so einen deutlich höheren Verkaufsabsatz erzielen würde.

Transportmittel ist hier eindeutig die Fahrradrikscha, sie scheint dem Auto bevorzugt zu werden und so fühlen wir uns wohl, zwischen all den verschiedenen Drahteseln.

Pictures & Video

Ankunft in Granada
Ankunft in Granada
... erster Kontakt in der Stadt
erster Kontakt in der Stadt
schön, oder?! Hausfassade Schattenspiel Kolonial-Stil Baseball Hausfassade Kirche in Granada
Kirche in Granada
Bringservice zur Fähre
Bringservice zur Fähre
Lago Nicaragua Strandpicknick Wochenendbetrieb am Mercado Mercado Ist das Haus schon fertig???
Ist das Haus schon fertig???
an der Plaza unser Lieblingscafé
unser Lieblingscafé
The Garden Café The Garden Café, Theke
The Garden Café, Theke
Ausblick am Abend
Ausblick am Abend
über den Dächern
über den Dächern
Iglesia Shoefiti in Masaya 3m-Stühle beste Pause ever^^
beste Pause ever^^
Mirador "Laguna Apoyo"
Mirador "Laguna Apoyo"
Abendlicht schön weit hochgeradelt
schön weit hochgeradelt
am Morgen Vulkane im Nebel Moppedtransport schlechter Straßenzustand
schlechter Straßenzustand
Straßenlöcher flicken
Straßenlöcher flicken
Vulkan-Landschaft
Vulkan-Landschaft
wohnen im Elend/auf der Müllkippe
wohnen im Elend/auf der Müllkippe
mit Blick auf Vulkane
mit Blick auf Vulkane
noch mehr Vulkane
noch mehr Vulkane
Shoefiti Fahrradwerkstatt in Chinandega
Fahrradwerkstatt in Chinandega
auf 28"Speichen-Suche
auf 28"Speichen-Suche
Sonnenuntergang in "Mechapa"
Sonnenuntergang in "Mechapa"
der Himmel steht in Flammen
der Himmel steht in Flammen
letztes Sonnenlicht
letztes Sonnenlicht
Wolken bei Vollmond
Wolken bei Vollmond
Wolkenspiel DANKE an Tony und Joan!
DANKE an Tony und Joan!
Cashew-Früchte Cashews Baumwollplantage Verkehrsteilnehmer
Verkehrsteilnehmer
nochmal Shoefiti Markt in Somotillo
Markt in Somotillo
alle finden was zu fressen^^
alle finden was zu fressen^^
ohne Worte
ohne Worte
Comments:
Die sehen total echt aus, aber das sind sie doch nicht ???? oder ? From Anja, on Mar 23, 2012 at 07:03PM
leider JA!!! die sind echt!!! verkaufen sich so besser, wurde auf meine Nachfrage hin geantwortet... From Swinde Wiederhold, on Mar 24, 2012 at 01:04AM
Schuhmacher Straßenstand alles spielt sich auf der Straße ab
alles spielt sich auf der Straße ab
Fahrrad-Taxi Fahrrad-Taxi Fahrrad-Taxi Fahrrad-Taxi, ganze Familie
Fahrrad-Taxi, ganze Familie
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