Creel - El Berrendo (Grenze Mexiko/USA)

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El Berrendo, Chihuahua, Mexico
Wednesday, June 27, 2012

Creel – Ciudad Guerrero – Madera – Ejido El Largo – Mata Ortiz – Nuevo Casas Grandes – Janos – Grenze Mexiko/USA

Meine letzten Tage in Mexiko.

Hinter Creel befinden sich noch zwei weitere kleine Orte, nach 30 km wird es dann allerdings einsam. Vom Fahrradsattel aus sehe ich einige „Ranchos" (Rinderfarmen) in der Ferne. Nur wenn Wasser im Spiel ist, grünt es hier mal, ansonsten ist alles sehr trocken. Bei der Hitze wundert es mich kaum.

Mein Tagesziel heißt „Ciudad Guerrero" und auch hier habe ich die Adresse einer Familie durch meinen Freund „Matt“ bekommen.

Ohne Probleme frage ich mich gleich zur Familie „Villalobos“ durch. Die Mutter Diana wohnt mit ihrem 11jährigen Sohn Eduardo zusammen. Die 24jährige Tochter hat das Haus schon verlassen und der 18jährige Sohn Riguito arbeitet zur Zeit in Texas. Ihr ehemaliger Mann betreibt eine Ranch und wohnt dort alleine. Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut mit Riguito auf die Ranch zu fahren und dort reiten zu gehen. Daraus wird leider nichts, aber ich darf auch gerne im Haus von Diana bleiben. Unterkunft, Verpflegung, Dusche… alles ist kein Problem. Abermals werde ich von einer Familie herzlich aufgenommen, obwohl wir uns erst seit wenigen Minuten kennen.

Ich entschließe mich einen Tag Pause einzulegen und begleite Diana am Vormittag in Eduardo's Schule. Dort arbeitet sie in der Cafeteria. Die Kinder schreiben gerade ihre Examen. Die großen Ferien stehen in zwei Wochen bevor und ein Jeder scheint aufgeregt zu sein. In der Pause werde ich zum „Foot-Base“-Spielen eingeladen. Es funktioniert eigentlich genauso wie unser Softball, mit dem kleinen Unterschied, dass der größere Ball hier ausschließlich geschossen werden darf. Mir fällt auf, dass fast keines der Kinder sein eigenes Butterbrot mitgebracht hat. Alle stellen sie sich vor dem kleinen Kiosk an und kaufen sich Chips, Kaugummis, Bonbons und süße Getränke. In der Cafeteria gibt es „Burritos“, „Tortas“ oder „Quesadillas“ zu kaufen.

„Burritos“ sind mit Hackfleisch, Bohnen, Reis, Tomaten, Avocados und Käse gefüllte Tortillas. Bei den „Tortas“ handelt es sich um eine Art Sandwich. Verschiedenste Zutaten werden zwischen die obere und untere Hälfte eines runden Weißbrotes gelegt. „Quesadillas“ hingegen sind einfach Käse-Tortillas. Schmilzt der Käse in der zusammengeklappten Tortilla wird diese anschließend entweder gebacken oder fritiert. Alle drei Speisen sind typisch mexikanisch und enthalten einen hohen Fettanteil.   

„Mexiko hat die dicksten Kinder der Welt“, so berichtet „welt.de“. Die Weltgesundheitsorganisation behauptet weiterhin, dass mehr als die Hälfte der erwachsenen Mexikaner "dickleibig" seien. Bei Kindern im Alter zwischen fünf und elf Jahren liege die Rate der Übergewichtigen bei 70 Prozent und damit ist sie die höchste der Welt. Die Auswahl an Essen für die Mittagspause der Kinder dieser Schule fördert das Ansteigen der Fettleibigen im Land drastisch. Wasser wird von den Kleinen verschmäht. „Ich will Cola“ schreit Eduardo aus vollem Leibe und dabei hat er in seinem zarten Alter auch schon mindestens 10 kg Übergewicht.

Am Nachmittag fahren wir zur Tochter, die mit ihrer Familie im Nachbarort „La Junta“ lebt. Mit 24 Jahren ist sie schon zweifache Mutter. Das kleine Mädchen ist vier, die jüngere Schwester ein Jahr alt. Die Wohnung zeigt, dass die USA als großes Vorbild dient. Die jungen Eltern haben viel Geld in moderne Möbel und Flachbildfernseher investiert. Die Garderobe ist von Markenkleidung aus den Staaten gezeichnet und zum Urlaub fährt man nach „Las Vegas“ oder ins „Disneyland“. Dabei hat das eigene Land doch so viel zu bieten und mir fallen die zahlreichen Kolonialstädte ein, die ich in den vergangenen Wochen besucht habe. Doch die USA scheint näher und reizvoller für die jungen Leute zu sein.

Der Abschied am nächsten Morgen ist so herzlich, wie ich ihn schon so oft bei den Mexikanern erlebt habe.

Diana segnet mich zu guter Letzt und schickt mich mit vier hausgemachten Burritos auf den Weg.

Der Tag ist lang, heiß und wird im späteren Verlauf auch noch hügelig. Ich habe den höchsten Punkt einer Bergkette fast erreicht, da werde ich Zeugin eines schweren Unfalls. Zwei Fahrzeuge kommen mir entgegen. Der hintere Kleinwagen fährt zu dicht hinter seinem Vorgänger her und verbremst sich in der Kurve. Zunächst gerät das Auto ins Schleudern, dann macht es 2-3 große Bögen, fährt rechts in die Böschung hinab, woraufhin der Wagen sich seitlich überschlägt und schlussendlich auf den Rädern wieder zum Stehen kommt. Der Fahrer des ersten Autos entfernt sich und ich bin mir unsicher, ob er den Unfall hinter ihm überhaupt mitbekommen hat. Alles ging blitzschnell und plötzlich bin ich alleine am Unfallort. Mein Fahrrad werfe ich achtlos in den Straßengraben und renne zum Unfallfahrzeug. Mein Herz klopft rasend. Vor wenigen Sekunden war die Luft noch von lautem Reifenquietschen und Krachen erfüllt. Nun ist alles totenstill. Mir fällt auf, dass ich selber zittere, ich weiß nicht, was mich im Fahrzeug erwartet, doch der Fahrer, ein ca. end-dreißiger, dicker Mann, lebt. Leicht rinnt ihm etwas Blut auf einer Kopfwunde und sein linker Arm ist offensichtlich gebrochen. Nachdem ich mich nach seinem Zustand erkundigt habe, renne ich wieder zurück zur Straße, da ich ein Auto gehört habe. Den ganzen Tag über haben mich nur wenige Fahrzeuge überholt und ich brauche jemanden mit einem Handy, um den Notarzt zu verständigen.

Der erste Pick-Up fährt einfach vorbei, den nächsten Bus dagegen schnappe ich mir. Ich stelle mich mitten auf die Straße, sodass er zum Anhalten gezwungen ist. Nachdem ich in stockenden Worten von dem Unfall und dem Verletzten berichtet habe, gibt der Busfahrer mir nur zu verstehen, dass ich den Weg frei machen soll. Es würden weitere Autos kommen und ich solle warten. Es ist zum Verzweifeln, ich kann es nicht fassen, finde keine Worte für solch einen Mangel an Hilfsbereitschaft! Das Glück schickt mir aber sogleich einen weiteren Pick-Up, der dann auch stoppt und versucht mit dem Handy eine „Ambulancia“ zu verständigen. Aussichtslos, das Gerät hat hier oben keinen Empfang. Während ich mich wieder zum Verletzten begebe, wartet das Pärchen im Pick-Up auf ein weiteres Fahrzeug, das dann den Berg hinunter fahren und einen Krankenwagen verständigen kann. Die Fahrer- und auch die Beifahrertüre sind nicht aufzukriegen. Der Mann ist im Wagen gefangen und schreit vor Schmerzen. Auf der Straße höre ich nun einige Menschen über den Unfallhergang philosophieren. Ich bin derweil mit dem Verletzten alleine und kann ihm doch nicht helfen. Er verlangt nach einem Bier, um seine Schmerzen zu betäuben. Wahrscheinlich hat er auch vorher schon etwas Getrunken, denn im Fußraum des Beifahrersitzes befinden sich zwei leere Bierdosen. Zufällig kommt eine Ambulancia vorbei, die jedoch schon mit einer Person besetzt ist. Dennoch wird der Mann endlich aus seinem Wagen befreit und ärztlich versorgt. Nun muss er auf seinen eigenen Krankenwagen warten.

Den Arm in einer Schlinge, ein Pflaster am Kopf, sitzt er am Straßenrand. Zwei Schaulustige befragen mich nach dem Unfallgeschehen und für mich wird es Zeit wieder auf mein Rad zu steigen. Dem Verletzten wünsche ich gute Besserung und bekomme ein schmerzverzerrtes Lächeln zum Dank.

Er hat wahnsinniges Glück gehabt, dass nicht viel mehr passiert ist. Der Unfall ist ihm selber zu zuschulden, da er auf das vorausfahrende Fahrzeug zu dicht aufgefahren ist und ich bin mir fast sicher, dass hier auch Alkohol eine Rolle gespielt hat. Viel mehr Glück habe ich jedoch selber gehabt! Als das Auto ins Schlingern geriet, kam es auch auf meine Fahrbahnseite. Die Fahrspuren hier sind extrem schmal gebaut und ohne jeglichen Seitenstreifen. Ich hätte nicht die geringste Ausweichmöglichkeit gehabt und wäre bei einem Zusammenstoß nur durch ein Wunder am Leben geblieben. Das erste Mal wird mir meine eigene Schutzlosigkeit auf dem Fahrrad im Straßenverkehr so richtig vor Augen geführt. Ich hoffe, dass es auf meiner Weiterreise bei diesem einen Vorfall bleiben wird.

Kurze Zeit später kommen mir die Polizei und der Krankenwagen in einem rasanten Tempo entgegen. Ich dagegen kämpfe mit den letzten 10 km vor dem Einfahren in die Stadt „Madera“. Starker Gegenwind bläst mir die heiße Tagesluft wie mit einem Fön, den man auf die höchste Stufe gestellt hat, entgegen.

Völlig erschöpft erreiche ich Madera und halte direkt vor einer Eisdiele. Nachdem das Eis verputzt und der Schrecken sich so allmählich gesetzt hat, erinnere ich mich daran, dass mir einer der Schaulustigen seine Telefonnummer gegeben hat. Er wohne in Madera und habe ein großes Haus. In einem kleinen Laden darf ich das Telefon benutzen und wähle die notierte Nummer. Sofort meldet sich „Mario“ und keine 5 Minuten später holt er mich zusammen mit seinem Freund „Hector“ an der Kirche ab. Beide freuen sich darüber, dass ich mich gemeldet habe und ich muss leider feststellen, dass sie in der Zwischenzeit Einiges an Bier getrunken haben. Aber ich sitze schon im Wagen, mein Fahrrad ist auf der Ladefläche und wir fahren gemeinsam zum Haus. Hier erwartet mich ein Museum und kein Wohnhaus. Mario erklärt, dass es das Haus seiner Großeltern und fast 100 Jahre alt ist. Die Tapeten, die Möbel, das Porzellan, die Fotografien, zwei alte Öfen, hölzerne Truhen, alles ist noch aus der damaligen Zeit vorhanden. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus und fühle mich ein wenig, als wenn ich mich im heimischen „Tuppenhof“, einem Museum für bäuerliche Geschichte und Kultur in Kaarst, befinden würde. Schlafen werde ich heute im antiken Bett der Großmutter von Mario. Es wird ein redseliger Abend mit uns Dreien. Mario und Hector sind gut angetrunken und so erfahre ich schnell, dass die letzten Jahre sehr schwer für meinen Gastgeber gewesen sind. Als Farmer macht ihm die Dürreperiode zu schaffen, vor drei Jahren erlitt er einen Herzinfarkt und überlebte glücklicherweise.

Zudem gibt er offen zu, dass er Alkoholiker ist und bis vor kurzem mit starker Fettleibigkeit zu kämpfen hatte. Erst kürzlich hat er aber durch eisernen Willen 30 kg abgenommen, er weiß, dass er etwas ändern muss, wenn er sich und dem Leben noch eine neue Chance geben will. Trotz den Gesprächen vergessen die Beiden ihre Gastfreundlichkeit mir gegenüber jedoch nicht. Ganz im Gegenteil, ich bekomme Limonade und Quesadillas serviert. Schnell ist meine Aufnahmefähigkeit an diesem Abend erreicht. Zu viel hat sich heute ereignet. Erst der Unfall, nun hier im Museum mit zwei betrunkenen Herren. Ich muss schlafen, um das Ganze verarbeiten zu können.

Schon um 06:50 Uhr werde ich geweckt. Das Frühstück ist bereitet. Mario hat Toast und Omelett für mich gemacht. Den Tag verbringe ich mit dem Sortieren meiner Fotos und anderen kleinen organisatorischen Arbeiten, für die ich unterwegs einfach keine Zeit finde. Zu Mittag brät Mario Steaks mit Bohnen und Zucchini, dazu gibt es Tortillas. Ihm scheint es zu gefallen, dass er mich fürsorglich bemuttern kann und am Nachmittag zeigt er mir die „Presa Peñita“, einen kleinen See, der zur Zeit stark an Austrocknung leidet. Derweil bin ich zum Stadtgespräch geworden und wir werden von allen Seiten gegrüßt. Außerhalb des Zentrums von Madera entdecke ich einige großräumige, moderne Häuser und frage Mario, wer sich denn hier niedergelassen habe. Er erklärt mir, dass viele Reiche hier wohnen würden.

Das angenehme Klima auf einer Höhe von 2200 Metern über dem Meeresspiegel und die Nähe zur Großstadt „Chihuahua“ würde sie anziehen.

Am Ende unserer Besichtigungsfahrt durch den Ort zeigt er mir noch seinen Tempel, in dem er aktiv ist. Mario ist offensichtlich ein Anhänger des ethnischen Bundes der Freimaurer. Das Symbol eines Zirkels und Winkels gibt mir diesen Hinweis, ansonsten hätte ich die Geheimnistuerei und seine in Spanisch erklärenden Worte, nicht verstanden. Die Gemeinschaft strebt die fünf Grundideale Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität an. Noch nie zuvor habe ich mich in einer sogenannten „Freimaurerloge“ befunden. Nach einem kurzen Rundumblick müssen wir das Gebäude jedoch schnellstens wieder verlassen und fotografieren darf ich hier unter keinen Umständen. Es ist eben ein Geheimbund.

Auf dem Rückweg zum Haus fährt ein voll besetzter, weißer Pick-Up an uns vorbei. Im Flüsterton erklärt mir Mario, dass es sich bei den Personen um Mitglieder der Gruppe „La Linea“ handele. Scheinbar befinde ich mich in direkter Nähe zu den Protagonisten im Drogenkrieg an der amerikanisch-mexikanischen Grenze. Für mich wäre es nur ein weiterer, großer, weißer Pick-Up im Straßenverkehr gewesen. Für Fremde bleibt das Vorgehen diverser Banden unsichtbar.

Für mich ist es am kommenden Morgen Zeit aufzubrechen. Nach all den Vorkommnissen bin ich ein wenig durcheinander und gleichzeitig erleichtert weiterzufahren. Richtig verstehen und einschätzen kann ich die Situation in Mexiko nicht, dazu habe ich einen viel zu oberflächlichen Eindruck bekommen. Doch die herausragende Gastfreundschaft der Mexikaner hat bislang kein anderes von mir zuvor bereistes Land überbieten können und das ist es eben, was auf meiner Reise zählt. Passenderweise zeigt mir Mario zum Abschied noch seine eigene Waffe. Im zarten Alter von sechs Jahren habe ihm sein Vater das erste Mal eine Waffe in die Hand gegeben. Später dann hätte er sie ständig unter seinem Hemd getragen, heute lässt er sie zumeist im Haus. Trotz schärfstem Waffengesetz weltweit gehört Mexiko zu den Ländern mit den meisten Waffen pro Einwohner.

Beinahe hat mein Gegenüber Tränen in den Augen, als ich mich aufs Rad schwinge und ihm zum Abschied hinterher winke. Er hat mich als seine „Nichte“ adoptiert und wünscht sich, dass ich ihm schreibe.

Mit durcheinander gewirbelten Gefühlen fahre ich stetig bergauf in die Sierra. Erst bei der archäologischen Fundstelle „Cuarentas Casas“ halte ich an.

Von der Aussichtsplattform kann ich einen Blick auf die rund ein Dutzend kleiner Höhlenbauten werfen. Aus Lehmziegeln wurden Hütten unter Felsüberhängen oder in Höhlen errichtet. Der Pfad zu ihnen, hinunter in die Schlucht und auf die andere Seite, ist leider gesperrt. Die Holztreppen sind aufgrund der großen Dürre in sich zusammen gefallen.   

So fahre ich schnell weiter nach „Ejido El Largo“, einem Städtchen von rund 6000 Einwohnern und bahne mir, in der Hoffnung auf einen Schlafplatz, den Weg zur Polizeistation. Zum Zelten bietet man mir die Fläche unter dem „Kiosko“ auf der Plaza an. Das muss man sich einmal vorstellen. Es ist der Hauptplatz im Ort. Genau auf dessen Mitte wurde ein Kiosk errichtet. Dabei handelt es sich nicht um eine kleine Verkaufsbude, wie es sie bei uns in Europa üblicherweise an einer jeden Straßenecke zu finden gibt, sondern um eine Art fest installierten Pavillon. Zu allen Seiten ist er geöffnet. Den einzigen Schutz bildet ein Dach auf den Stelzen rund herum. Es wäre wie „zelten auf dem Präsentierteller“!

Dass ausgerechnet die Polizei mir zu diesem Platz rät ist mir völlig unverständlich. Hinzu kommt, dass sie auf meine Frage nach dem weiteren Weg nach „Mata Ortiz“, einem Ort welcher gerade einmal 100 km von hier entfernt ist, keine Antwort wissen.

Zudem ist er der einzige Ort neben „Madera“, aus dem ich gerade gekommen bin. Der Dorf-Präsident muss gerufen werden. Er scheint tatsächlich der richtige Mann für meine Frage zu sein. Sogleich beginnt er damit mir eine Skizze zu zeichnen. Einen Schlafplatz hat er zufällig auch und so kann ich es mir in seiner noch unfertigen „Cabaña“ (Blockhütte) gemütlich machen. Eine Dusche aus meinem mitgeführten Ortlieb-Wassersack, besser kann es heute nicht mehr werden.

Ich verbringe eine angenehme, kühle Nacht im Holzhaus des Dorf-Präsidenten „Pilo“ und erscheine, wie am Abend zuvor verabredet, um 07:20 Uhr bei der Familie zum Frühstück.

Serviert wird mir eine Suppe. Fettige, auf mich unappetitlich wirkende Fleischstückchen schwimmen auf meinem Teller herum. Ich kriege kaum etwas herunter und löffle höflicherweise ein wenig der Brühe hinab. Dabei erfahre ich, dass es sich hierbei um „menudo“ handelt. Eine typisch mexikanische Kuttelsuppe aus Kuhmagen (Pansen). Für die Familie ist es ein Festessen. Ich hoffe nur, dass Pilo's Frau dieses traditionelle Gericht nicht ausschließlich für mich zubereitet hat, denn ich gebe ihr einen fast randvollen Teller zurück und esse lieber ein bisschen Obstsalat mit Joghurt.

Auf den ersten 10 km werde ich noch vom Dorf-Präsidenten begleitet und auf den richtigen Weg gewiesen. Dann muss ich mir meinen Weg alleine über die Schotterstraße bahnen. Ein zunächst gut ausgebauter, fester Untergrund verwandelt sich schnell in loses Gestein, welches mein Hinterrad zum Durchdrehen bringt. Die Handskizze stimmt im Groben. Viele kleinere Kreuzungen fehlen und so biege ich etwas verunsichert nach „Colonia Garcia“ ab. Auf den nächsten 20 km sehe ich kein einziges Fahrzeug, zudem geht es bis auf 2450 m Höhe bergauf. Doch oben angekommen, sehe ich ein kleines Dorf im Tal liegen und weiß, dass ich den richtigen Weg gewählt habe. Welch' ein Glück! Getränke, Kekse und Tortillas füllen meinen Energiespeicher. Von einer jungen Frau werde ich darauf vorbereitet, dass es mit dem Fahrrad noch gute sechs Stunden nach Mata Ortiz sind. Ich bin froh, dass man hier immerhin den Ort zu kennen scheint. Die Landschaft begeistert mich immer wieder und so fahre ich im Tal an Pferde- und Kuhwiesen vorbei. Weiter oberhalb befinden sich Pinienwälder und tolle Steinfelsen. Die Zeit rennt mir ein wenig davon, nach „Jobales“ erstreckt sich ein erneuter Anstieg vor mir, der sich ins Endlose hinein zu ziehen scheint. Immerhin erreiche ich nach 72 km den ersehnten Asphalt. Prompt donnert mir ein LKW mit viel zu hoher Geschwindigkeit und zudem noch auf der verkehrten Straßenseite fahrend, entgegen.

Da wünsche ich mir schon wieder die Schotterpiste herbei, dort werden die Fahrzeuge zumindest zu einer niedrigen Geschwindigkeit gezwungen. Nach 3 weiteren Kilometern bergauf habe ich den höchsten Punkt meiner Tagesreise endgültig erreicht und werde mit einem sensationellen Ausblick belohnt. Von 2200 m Höhe geht es auf 1500 m hinunter. Es ist die tollste Abfahrt meiner gesamten Reise. 20 km einfach nur rollen lassen und dabei die Landschaft bewundern. Die Berge leuchten im Abendlicht und ich kann gar nicht aufhören zu fotografieren. Ich weiß, dass ich eigentlich viel zu spät dran bin, um Mata Ortiz heute noch erreichen zu können, doch ich fahre einfach weiter. Gegen 20:30 Uhr radle ich in den Ort hinein. Ich habe es doch noch geschafft, auch wenn es bereits zu dunkeln angefangen hat. Zwei kleine Jungen bringen mich zu einem Hotel. Zunächst werden 39 Dollar verlangt, hier scheint man an Touristen aus dem Ausland gewöhnt zu sein. Doch ich gebe noch nicht auf, verlange nach dem Preis in mexikanischen Peso und gebe zu verstehen, dass ich gar keine Dollar bei mir habe. Von anfänglichen 250 mexikanischen Pesos einigen wir uns auf 100 mex. P. (ca. 6,30 Euro) und ich kann nach 9 ½ Stunden im Sattel endlich absteigen. Pilo und seine Frau meinten am Morgen noch, dass ich etwa gegen 14/15 Uhr hier eintreffen sollte. Ein weiteres Mal werde ich von den Einheimischen vollkommen überschätzt. Dass ich von Argentinien nach Alaska mit dem Fahrrad fahre, heißt noch lange nicht, dass ich „Superwoman“ bin.

Hier wissen die meisten jedoch gar nicht, wo Argentinien liegt und wie weit es tatsächlich entfernt ist, sodass ich es niemandem krumm nehmen kann.

Die Nacht wird heiß und ungemütlich. Trotzdem schlafe ich aus und möchte vor meiner Weiterfahrt noch bei der Galerie von „Juan Quezada“ vorbei schauen. In einem Reiseführer habe ich von seiner berühmten Töpferkunst gelesen. Das Haus ist genauso unscheinbar, wie der gesamte Ort, ein kleines Schild an der Türe sagt „Abierto“ (geöffnet). Die Ehefrau des Künstlers bittet mich herein. Im Vorraum gibt es eine Galerie und ich sehe zum ersten Mal die Vasen, für die Juan Quezada so berühmt geworden ist. Kurz darauf stehe ich dem Künstler auch schon persönlich gegenüber und weiß noch gar nicht richtig zu schätzen, dass ich den Meister kennen lernen darf. Er ist dagegen viel mehr an meiner Reise interessiert, bittet mich auf einen Kaffee in die Küche und wenig später, fragt er mich, wie mein heutiger Tag denn aussehen würde und ob ich nicht Lust hätte, mit ihm auf seine Ranch zu fahren. Kurzentschlossen sage ich zu. Der gestrige Tag war anstrengend und lang gewesen, da kann ich ruhig mal eine Pause einlegen und wann bietet mir sich schon einmal die Gelegenheit diesen Künstler genauer kennen zu lernen. Mein Fahrrad stelle ich in der Werkstatt ab, gemeinsam machen wir uns zu dritt mit einer ehemaligen Studentin namens „Cathy“ auf den Weg.

Es geht querfeldein, ein 4x4 Fahrzeug ist dringend von Nöten, mit dem Fahrrad hätte man hier keine Chance und nach guten zwei Stunden ist die Ranch endlich in Sicht. Momentan lebt hier eine junge Familie, um auf das Grundstück aufzupassen. Die Eltern schätze ich gerade einmal auf 18-20 Jahre. Ganz alleine leben sie hier seit fünf Monaten mit ihren beiden Mädchen, eines im Alter von zwei Jahren, das andere zählt drei Monate. Pferd, Kühe, zwei Hunde sowie zwei Katzen sind vorhanden. An Elektrizität und fließendem Wasser fehlt es dagegen. Wasser wird aus Mata Ortiz herangefahren. Der Inhalt dreier  Wassertanks ist die Lebensgrundlage der Familie. Einer davon verliert durch ein kleines Loch stetig Flüssigkeit. Einmal pro Woche wird in den Ort gefahren. So verwundert es nicht, dass die vier sich über unser Erscheinen freuen. Die Fahrt dient jedoch ebenfalls dem Begutachten der Wasserstellen für das Vieh. Alle warten momentan auf den erlösenden Regen. Viele der Stellen sind bis auf kleine matschige Pfützen ausgetrocknet.

Gerade einmal eine Stunde können wir bleiben, dann müssen wir die Rückfahrt antreten. Unter einem Baum bereiten wir alles für ein Picknick vor. Alles ist ruhig, wir sind mit den Bergen und uns völlig allein. Wir packen die Campingstühle aus und beginnen an den leckeren Snacks, die Cathy mitgebracht hat, zu naschen. Es ist das schönste Picknick meines Lebens. Dann beginnt es zu tröpfeln und der Regen zaubert ein breites Strahlen auf die Gesichter meiner Gegenüber.

Die Beiden schwelgen in Erinnerungen an die Jahreszeit in der die trockene Gegend zu grünen beginnt und ganze Teppiche voller Wildblumen dem Land einen anderen Charakter verleihen.

Am Abend sitzen wir gemeinsam auf der Veranda vor Cathy’s Haus. Ein Lagerfeuer knistert vor sich hin und wir grillen Kartoffeln, Camote, Brokkoli, Zwiebeln sowie Fleisch und Würstchen. Es schmeckt himmlisch und dazu spendiert uns die Natur einen bezaubernden Sonnenuntergang. Es ist ein perfekter Tag.

Lange unterhalte ich mich bis Mitternacht mit Cathy auf der Veranda und erfahre zum ersten Mal, wer Juan Quezada eigentlich ist und was es mit seiner Töpferkunst auf sich hat.

Heute ist er 72 Jahre alt, Vater von acht Kindern und Inhaber der größten Auszeichnung Mexikos im künstlerischen Bereich, dem „Premio Nacional de los Artes“. Doch es war nicht immer so gut um ihn bestellt. Aufgewachsen ist er in einer sehr armen Familie. Ständig musste er in der kargen Umgebung mit Eseln als Lasttieren nach Holz suchen, um das Feuer in Gang halten zu können. Eines Tages fand er dabei alte Keramikreste der Paquimé-Kultur. Von seinem Fund begeistert, fing er an mit Lehm und Ton zu experimentieren, um solch eine Vase, wie er sie gefunden hatte, nachzutöpfern.

Jahrelang versuchte er sich an der perfekten Mischung der Materialien sowie der Bemalung seiner Werke. Er verkaufte sie an vorbeikommende Passanten und Besucher des Ortes. So kam es, dass Spencer MacCallum, ein Anthropologist und Kunstsammler aus den Vereinigten Staaten, eines Tages eine Vase von Juan Quezada in den Händen hielt. Er war von dem Produkt derart begeistert, dass er sich auf die Suche nach dem Künstler begab und als er schließlich fündig wurde, schlossen die Beiden einen Vertrag ab. Die Keramik wurde auf dem amerikanischen Markt vorgestellt und über die Jahre wurden die Stücke zu Sammlerobjekten, die in der ganzen Welt begehrt sind. Juan Quezada, ein sehr bescheidener und schüchterner Mann, wurde mit seiner Kunst berühmt. Noch heute lehrt er zahlreiche Verwandte, Freunde, Bekannte sowie interessierte Personen aus dem Ausland an und hat damit seinen Ort, zum wichtigsten Zentrum der Töpferei gemacht. Einen Ort, der eigentlich schon vor dem Aus stand und den das gleiche Schicksal ereilen sollte, wie so vielen anderen kleinen Ortschaften in der Umgebung. Aussterben durch Abwanderung in die Großstadt.

Noch habe ich nicht viel von dieser Kunst gesehen, für die Juan Quezada so berühmt geworden ist und der Meister lässt sich nicht gerne über die Schulter schauen. So durchstreife ich mit Cathy zusammen das Dorf und treffe auf eine Verwandte von ihm. Sie zeigt mir ihre eigenen Werke.

Es ist wahrhaftig eine beeindruckende Arbeit. Die Vase in Perfektion getöpfert und mit filigranen Mustern versehen. Zum Auftragen der Farbe wird ein Pinsel mit Menschenhaar verwendet. Oft befindet sich dabei nur ein einzelnes Haar an der Pinselspitze. Heute bedauere ich zutiefst, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und keine Keramik transportieren kann. Zu gerne hätte ich solch eine Vase als Andenken gekauft.

Kurz vor 12:00 Uhr und Juan Quezada beendet seinen heutigen Arbeitstag. Jeden Tag setzt er sich um 05:00 Uhr am Morgen an die Arbeit. Er braucht dazu die Kühle der Morgenluft und die Ruhe, die mit dieser frühen Tageszeit einhergeht. Herzlich verabschieden wir uns voneinander. Er hat mir mit seiner Einladung am Tag zuvor ein großes Geschenk bereitet, wofür ich zutiefst dankbar bin. Auch Cathy stehen die Tränen in den Augen. Die gemeinsame Zeit war einfach zu perfekt, um wahr zu sein. In meinem Tagebuch unterstreiche ich den Satz „Ich muss wiederkommen“ am Abend doppelt.

Völlig in Gedanken versunken trete ich in die Pedale. Zunächst lege ich einen kleinen Abstecher zu den Ruinen der „Hacienda San Diego“ ein. Im Jahre 1860, zu Zeiten der französischen Besatzung, war dies das Anwesen des Gouverneurs des Bundesstaates Chihuahua: „Luis Terrazaz“.

Heute verfällt dieses schöne Gebäude leider. Wenig später fahre ich in die „Colonia Juárez“ ein. Dabei handelt es sich um eine kleine Stadt der Mormonen. Neben der Bibel beziehen sich die Anhänger dieser Glaubensgemeinschaft auch auf das „Buch Mormon“. Alles wirkt auf mich sehr amerikanisch. Durch ständige Bewässerung hält man die Gärten in sprießendem Grün. Go-Kart-ähnliche Rasenmäher trimmen das Gras auf die gewünschte Höhe. Das Prunkstück des Ortes ist die große „Academia Juárez“, eine Privatschule der LDS-Kirche (The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints = Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage). Hier wird den Kindern eine zweisprachige Ausbildung angeboten, die im ganzen Land einmalig ist. Ich fühle mich dagegen wie auf einem anderen Planeten. Eben noch das mexikanische Mata Ortiz und nun spricht mich jemand auf Englisch an.

Ich fahre in Einem durch nach „Nuevo Casas Grandes“. Die Ruinenstätte „Casas Grandes“ ist montags leider geschlossen und so werde ich bis morgen mit einem Besuch warten müssen. Anderntags, ich will gerade auf mein Fahrrad steigen, werde ich durch einen Plattfuß im Hinterreifen aufgehalten. So kommt es, dass ich erst um 10:00 Uhr die archäologische Fundstätte erreiche. Forscher errechneten, dass die Anlage mit ihren großen Bauten aus Lehm ungefähr 3500 Bewohner hatte. Eine sprachliche und ethnische Zuordnung des Volkes, das hier gelebt hat, ist bis heute allerdings noch nicht gelungen.

Die Paquimé-Kultur entstand um 700 in der Region und begann mit der Einführung der Landwirtschaft und dem Bau von kleinen, halb in den Boden eingelassenen Häusern aus Lehm.  Die prähistorische Ausgrabungsstätte Paquimé wird heute auf der Welterbe-Liste aufgeführt. Hier befinden sich einige Konstruktionen, die in dieser Form aus Fundstellen unbekannt sind. Das angrenzende Museum der Kulturen des Nordens zeigt auch Kunstgegenstände der Casas-Grandes-Kultur. Die antiken Krüge verdeutlichen, dass die Paquimé-Kultur Juan Quezadas Vorbild für seine heutigen Werke ist.

Nun habe ich es aber eilig. Gute 130 km trennen mich noch von der amerikanischen Grenze. Ich starte um 13:00 Uhr am Mittag, bei 40 °C. Der Asphalt auf der Straße glitzert vor sich hin und ich habe den Eindruck, dass er an einigen Stellen schon geschmolzen ist. Wenig später erreiche ich einen Baustellenabschnitt mit Umleitung auf eine Schotterpiste. Das Ende ist fast in Sicht, da erwischt mich ein erneuter Plattfuß. Diesmal hat es den Vorderreifen getroffen. Entnervt baue ich am Straßenrand das Vorderrad aus und beginne den Schlauch zu wechseln. Ein Bauarbeiter steht dabei direkt neben mir und ist für das Fahnenschwenken verantwortlich. Scheinbar hat er heute noch keine Gelegenheit dazu gehabt, mit jemandem zu sprechen. Er hat seine Freude daran, dass ich durch meine Panne zum Anhalten gezwungen wurde und so beginnt er mich nun auszufragen und berichtet ganz nebenbei, dass er einen Marihuana-Joint raucht.

Ruhig bleiben, konzentrieren – ich will einfach nur weiter! Der neue Schlauch sitzt auf der Felge und ich muss nur noch etwas Luft hineinpumpen. Jetzt streikt allerdings die Luftpumpe. Auch Julian, der Bauarbeiter, schafft es nicht, meinen Reifen mit Luft zu füllen, hat dagegen aber eine prima Idee bereit. Er leiht mir sein eigenes, klappriges Fahrrad, damit ich zu seinen Kollegen, ein paar 100 Meter entfernt fahren kann. Das Baustellenfahrzeug hat einen Kompressor mit an Bord. Meine Rettung in der Not. Mir bleibt nichts anders übrig, als all meine Sachen beim Marihuana rauchenden Julian zu lassen. Kamera, Geld, Reisepass – alles befindet sich nun in seiner Obhut. Ein Nachteil, wenn man alleine unterwegs ist. Geschwind setze ich mich auf sein Rad, fahre einhändig über die Schotterpiste zu den Männern hinüber. In der rechten Hand balanciere ich mein luftloses Vorderrad. Die Maschine erledigt mein Problem im Handumdrehen. Der Reifen ist prallgefüllt und ich kann zurück zu meinem Fahrrad fahren. Meine Sorge wegen den Wertsachen stellt sich als unbegründet heraus. Julian hat ein wachsames Auge auf meine Habseligkeiten geworfen. Ich drücke ihm mein repariertes Fahrrad in die Hand, er schwenkt voller Stolz seine orange Bauarbeiterfahne, ich schieße ein Foto und schwinge mich wieder in den Sattel. Doch halt: „Warum geht der Tacho denn nun nicht mehr?!“ Ich habe das Vorderrad verkehrt herum eingebaut. Der Magnet befindet sich nun auf der falschen Seite und kann den Empfänger nicht mit seinen Daten versorgen.

Kurzer Hand schraube ich den Magneten einfach auf die andere Seite und endlich kann es weiter gehen.

Die Strecke gefällt mir überhaupt nicht. Die Straße ist viel zu eng und wird zudem von schwerem Truck-Verkehr besucht. Mehrmals ist es knapp zwischen mir und dem vorbeifahrenden Fahrzeug. Einmal mehr wird mir vor Augen geführt, dass hier allein das Recht des Stärkeren zählt und ich mit meinem Drahtesel ganz unten auf der Sprossenleiter stehe.

In „Janos“ finde ich ein günstiges Hotel. Mein letztes hier in Mexiko. Schnell sind auch meine restlichen Pesos ausgegeben. Dann begebe ich mich ans Wäsche waschen. Ich will ja schließlich sauber und frisch in mein 14. Reiseland starten. Die geschimmelte Badematte vor der Dusche lege ich kurzum ins Waschbecken, um den Ausfluss abzudecken. So kann ich immerhin meine durchlöcherten Schläuche flicken. Fast bin ich im Stress. Seit meiner Ankunft hatte ich noch keine freie Minute, um mir die Umgebung anzusehen oder mich hinzulegen. Erst am Abend fällt mir bei einem Ortsrundgang auf, dass der Dorfplatz schon ganz anders aussieht. Es gibt einen fest installierten Kinderspielplatz für die Kleinen sowie ein Basketballfeld für die Großen. Auch werde ich mehrfach auf Englisch angesprochen. Es ist Zeit Abschied zu nehmen.

Abschied von einem großartigen Land, den gastfreundlichsten Menschen auf meiner bisherigen Reise und einmaligen, nun sich dem Ende zuneigenden 13 Wochen meiner Fahrradreise.

Da ich auf einem kleinen Grenzübergang das Land verlassen und in die USA einreisen möchte, bin ich verunsichert, ob ich meinen Ausreisestempel nicht vielleicht hier in „Janos“ schon bei der örtlichen  „Migracion“ bekommen muss. Mit meinem Auftauchen sorge ich für gehörige Verwirrung bei den Angestellten. Schnell stellt sich dann heraus, dass dies nur eine Anlaufstelle für Illegale ist. Also weiter. Plötzlich werde ich von einem schwarzen Nissan mit Dachgepäck überholt. Das ist doch tatsächlich Juan Quezada mit Cathy, die sich auf den Weg nach Nevada machen, um nach Edelsteinen zu suchen. Vor zwei Tagen hatten wir uns noch mit dem Satz „El mundo es pequeño“ (Die Welt ist klein) von einander verabschiedet. Dass wir uns allerdings so schnell wiedersehen würden, damit hätte keiner gerechnet.

Die letzten 15 km lege ich auf einer Schotterpiste zurück. Ein kleines, nahezu völlig verblasstes Holzschild weist mir den Weg in die USA. Zwei Wüsten-Militär-Jeeps in hellen Tarnfarben überholen mich und die ganze Besatzung winkt mir freundlich zu. Zuvor hatte ich an der Straße einen Militär-Checkpoint passiert.

Die Maschinengewehre werden im Anschlag auf die vorbeikommenden Fahrzeuge gehalten. Es ist das erste Mal seit längerer Zeit, dass ich wieder auf schwerbewaffnetes Militär treffe. Ich nähere mich eben der Grenze zu den Vereinigten Staaten.

Das Büro der Mexikaner besteht aus einem winzigen Raum in dem ein einziger Ventilator vor sich hin brummt. Nach einer kleinen Wartezeit bekomme ich problemlos und ohne weitere Fragen meinen Ausreisestempel in den Pass gedrückt. Auf Wiedersehen Mexiko! Der Unterschied dieser beiden Grenzbüros könnte nicht größer sein. Die Amerikaner sitzen in einem großzügigen Raum. Eine Klimaanlage reguliert die Temperatur auf den gewünschten Grad genau. Es gibt einen blitzsauberen Toilettenraum und aus einem Automaten kommen eisgekühlte Getränke sowie Eiscreme heraus. Technisch sind sie sowieso auf dem neusten Stand. Meine Fingerabdrücke werden von einem computergesteuerten Gerät ausgelesen. Ein kurzer Blick in die Kamera und schon erscheint mein Foto auf dem Bildschirm der Beamten. Eine geringe Einreisegebühr wird verlangt und schon bin ich in die USA eingereist. Nach den Formalitäten tauen auch die beiden Beamten hinter der Theke auf. Man hat mich schon erwartet, denn Cathy hat mich bei ihrer Durchfahrt wenige Stunden zuvor angekündigt. Beim Eintreten grüße ich noch mit „Hola, buenas dias“, jetzt muss ich mich daran gewöhnen, dass hier Englisch gesprochen wird.

Nach 1 ½ Jahre Reise in Spanisch sprachigen Ländern, ist das eine große Umstellung.

Von dem Grenzbeamten „Tim“ erhalte ich eine Limonade, ein Eis und Fotokopien einer detaillierten Straßenkarte für meine Weiterreise. Mit einem farbigen Marker zeichnet er die Route ein. Ich bin von der neuen Technologie und der Modernität der Dinge im Allgemeinen so erschlagen, dass ich ratlos vor dem Becken mit dem Trinkwasserzugang stehe. Tim hilft mir dabei meine Flaschen aufzufüllen, bevor ich mich auf den Weg mache. Meine ersten Kilometer in den USA stehen bevor und ich bin aufgeregt.

Dieser Grenzübergang ist bei Abenteurern auf der ganzen Welt beliebt. Die berühmte „Continental Great Divide“ Radroute endet für die meisten genau hier. In Banff, Alberta, Kanada startet der Trail, der zumeist über Schotterpisten, weitab von jeglicher Zivilisation, quer durch die USA und bis zur Grenze nach Mexiko führt. Hier kommen sie also alle an. Die müden und erschöpften Radfahrer, Einradfahrer und Wanderer. Keine 20 km fahre ich und schon treffe ich auch auf einen dieser „Great Divide Fahrer“. Das alljährliche Rennen ist im vollen Gange und ich mache Bekanntschaft mit „Dillan“. Die letzten 48 Stunden ist er ohne Schlaf durchgefahren. Fünfzehn weitere Meilen muss er bewältigen, bevor er als 8. Sieger über die Ziellinie rollt. Auch ich habe mich für einen Großteil dieser Strecke entschieden, möchte jedoch zunächst einen Abstecher nach Arizona und Utah einlegen.

Nach 146 km und 8 ½ Stunden erreiche ich heute „Hachita“. Hier lebt der 82jährige, an Hautkrebs leidende „Sam“. Er ist ein bunter Hund unter den Abenteuerlustigen und schon so mancher hat in seinem Vorgarten sein Zelt aufgebaut. An diesem Tag habe ich die Fläche jedoch ganz für mich allein. Meine erste Nacht in den USA bricht an.     

Pictures & Video

auf zur letzten Etappe in Mexiko!
auf zur letzten Etappe in Mexiko!
handgemachte Holzprodukte
handgemachte Holzprodukte
mein Weg schöne Farben Muchas Gracias: Diana y Eduardo
Muchas Gracias: Diana y Eduardo
Ciclismo Extremo!!!
Ciclismo Extremo!!!
Landschaft Madera in der Ferne
Madera in der Ferne
bei Mario und Hector, im Museum
bei Mario und Hector, im Museum
Museumsstück im Museum Familie Chavira lebte mal in diesem Haus
Familie Chavira lebte mal in diesem Haus
"mein" Zimmer für 2 Nächte
"mein" Zimmer für 2 Nächte
Museumsstücke Mittagessen mit Mario
Mittagessen mit Mario
wieder Maisspeicher, der Rauch ist ein Waldbrand
wieder Maisspeicher, der Rauch ist ein Waldbrand
Presa Peñita Muchas Gracias: Mario
Muchas Gracias: Mario
Mario und sein Dodge
Mario und sein Dodge
Landschaft mein Weg schön hinaufgepumpt
schön hinaufgepumpt
historische Stätte: Cuarenta Casas
historische Stätte: Cuarenta Casas
Cuarenta Casas erster Blick auf "Ejido El Largo"
erster Blick auf "Ejido El Largo"
mein Haus für eine Nacht
mein Haus für eine Nacht
zelten in einer noch unfertigen Cabaña
zelten in einer noch unfertigen Cabaña
Ausblick vom Balkon
Ausblick vom Balkon
Abendlicht Ausblick Pinien überall meine Dusche ;-) Ausblick und gute Nacht allerseits
und gute Nacht allerseits
guten Morgen zusammen
guten Morgen zusammen
ja toll! und jetzt? wo lang???
ja toll! und jetzt? wo lang???
handskizzierte Karte für die nächsten 100 km
handskizzierte Karte für die nächsten 100 km
mein Weg unterwegs kleine Farmen süß nicht?! hier hat man noch einen Brunnen!
hier hat man noch einen Brunnen!
Steinformationen Loch im Stein Steinformationen letzter Blick zurück
letzter Blick zurück
nun wieder auf Aspahlt und mit Karte unterwegs
nun wieder auf Aspahlt und mit Karte unterwegs
beste Belohnung am Abend
beste Belohnung am Abend
eine gigantische Abfahrt
eine gigantische Abfahrt
Ausblick Ausblick Ausblick Ausblick Ausblick Ausblick unten angekommen, als es dunkel wird
unten angekommen, als es dunkel wird
Ausflug mit Cathy und Juan
Ausflug mit Cathy und Juan
beim Picknicken mit Cathy und Juan
beim Picknicken mit Cathy und Juan
Blick aus den Bergen auf "Mata Ortiz"
Blick aus den Bergen auf "Mata Ortiz"
beim Roping welch ein Blau! Sonnenuntergang letzte Sonnenstrahlen für heute
letzte Sonnenstrahlen für heute
Juan Quezada als Grillmeister
Juan Quezada als Grillmeister
hmm lecker Gegrilltes
hmm lecker Gegrilltes
Muchas Gracias: Cathy y Juan!!!
Muchas Gracias: Cathy y Juan!!!
Comments:
Juan and I certainly enjoyed your stay! From Cathy, on Sep 2, 2012 at 06:16AM
mein Zeltplatz auf der Verranda
mein Zeltplatz auf der Verranda
Ausblick am Morgen
Ausblick am Morgen
Steinkunst auf Cathy's Ranch
Steinkunst auf Cathy's Ranch
aufgeschnittener Stein
aufgeschnittener Stein
Mexiko geschmückter Zaun
geschmückter Zaun
geschmückter Zaun
geschmückter Zaun
frischgeschlüpftes Küken
frischgeschlüpftes Küken
Ranch bei Mata Ortiz
Ranch bei Mata Ortiz
tollste Keramiken in Mata Ortiz!!!
tollste Keramiken in Mata Ortiz!!!
Keramik, Mata Ortiz
Keramik, Mata Ortiz
mit dem Künstler Juan Quezada
mit dem Künstler Juan Quezada
mit Cathy und weiter von Asphalt auf Schotter
und weiter von Asphalt auf Schotter
Hacienda San Diego
Hacienda San Diego
Hacienda San Diego
Hacienda San Diego
unterwegs nach Casas Grandes
unterwegs nach Casas Grandes
Landschaft Mormon Village, Colonia Juarez
Mormon Village, Colonia Juarez
irgendwie passt das nicht hierher, finde ich
irgendwie passt das nicht hierher, finde ich
am Straßenrand Einfahrt nach Casas Grandes
Einfahrt nach Casas Grandes
noch nicht ganz in den USA...
noch nicht ganz in den USA...
archäologische Fundstätte: Paquimé
archäologische Fundstätte: Paquimé
Paquimé Paquimé ein Gesicht... wenn auch kein freundliches^^
ein Gesicht... wenn auch kein freundliches^^
Paquimé Paquimé Paquimé-Keramik Motive Keramikkunst aus Mata Ortiz
Keramikkunst aus Mata Ortiz
Nuevo Casas Grandes schon sehr amerikanisch
Nuevo Casas Grandes schon sehr amerikanisch
zweiter Platten an diesem Tag,,,
zweiter Platten an diesem Tag,,,
Danke für die Hilfe!!! ;-)
Danke für die Hilfe!!! ;-)
mit frischer Wäsche auf in die USA
mit frischer Wäsche auf in die USA
wozu eine geschimmelte Badematte gut sein kann...
wozu eine geschimmelte Badematte gut sein kann...
schon mit englischer Übersetzung
schon mit englischer Übersetzung
LKW-Strecke, sau gefährlich!
LKW-Strecke, sau gefährlich!
letzter "Ort" in Mexiko
letzter "Ort" in Mexiko
auf zur Grenze leider kennen auch einige LKW's den Übergang hier
leider kennen auch einige LKW's den Übergang hier
am Scheideweg: links USA, rechts Mexiko
am Scheideweg: links USA, rechts Mexiko
wirklich sehr abgelegener Grenzübergang
wirklich sehr abgelegener Grenzübergang
adios Mexiko!!! es war eine GENIALE Zeit hier!!!
adios Mexiko!!! es war eine GENIALE Zeit hier!!!
Ausreisestempel abgeholt
Ausreisestempel abgeholt
und rüber über den Strich
und rüber über den Strich
willkommen in den USA
willkommen in den USA
Antelope Wells, begrüßt werde ich mit Eis und Limo
Antelope Wells, begrüßt werde ich mit Eis und Limo
New Mexico racing the Great Divide! 8. Platz
racing the Great Divide! 8. Platz
Landschaft, New Mexico
Landschaft, New Mexico
Sonnen-/Wolkenspiel
Sonnen-/Wolkenspiel
yes! I arrived in the USA!
yes! I arrived in the USA!
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