Grand Junction - Gunnison

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Gunnison, Colorado, United States
Thursday, August 23, 2012

Grand Junction – Delta – Kebler Pass – Gunnison

Am Morgen führt mich "Eric", ein Volontär der Farm in Castle Valley, zu “REI“. Bei Amerikas größtem Outdoor-Ausstatter habe ich die Gelegenheit einen Wasserfilter sowie eine neue Regenhülle für meinen Rucksack zu kaufen. Für die Great Divide Strecke möchte ich gerüstet sein.

Der Vormittag ist schnell verflogen, ich packe mein Rad, bekomme von meinen Gastgebern noch Proviant zugesteckt und mache mich mit Begleitung auf den Weg. Eric, Linda, Ron – alle wollen sie ein wenig teilhaben an meinem großen Abenteuer und mich auf den ersten Kilometern aus ihrer Stadt hinaus begleiten. Als wir den Highway erreichen, verabschieden wir uns voneinander. Linda weist uns dazu an, uns in einen Kreis zu stellen und beginnt zu beten.

Für mich, für eine sichere Reise und dafür, dass uns Gott zusammengeführt hat. Auch wenn ich selber nicht an eine höhere Macht im Himmel glaube, tut es gut so nah beieinander zu sein. Mir wird bewusst, dass ich auf meiner Reise nicht immer alleine bin. Nicht nur zu Hause, nein nahezu in jedem einzelnen Land, welches ich auf meiner Tour durchgequert habe, gibt es jemanden, der an mich glaubt. Der mir Mut zugesprochen und Kraft für die Weiterreise gegeben hat. Ich mache die Reise nicht nur für mich selbst. Es fühlt sich so an, als ob ich zahlreiche Träume und Wünsche meiner neu gewonnenen Freunde mit auf den Weg nehme. Für alle von ihnen steige ich jeden Morgen wieder auf das Fahrrad und radle in Richtung Norden. Uns allen gibt es Kraft und Ansporn im Leben.

Ich komme an einem kleinen Dorf vorbei und gehe ins dortige Postamt. Eigentlich möchte ich nur drei Briefmarken für meine Karten kaufen und sie abschicken. Wie schon so oft zuvor werde ich von der Postbeamtin über meine Fahrradreise ausgefragt. Die beiden weiteren Kunden im Laden lauschen ebenfalls gespannt meinen Worten. Bis auf meine Stimme ist es still in dem kleinen Raum. Als ich meine Tour in wenigen Sätzen beschrieben habe, fragt mich die ältere Dame zu meiner Linken, ob sie mich umarmen dürfe. Gerührt falle ich ihr in die Arme. Wenn mich doch nur jemand von meiner Familie jetzt sehen könnte. Ich kenne die Dame doch gar nicht.

Bis vor wenigen Minuten war auch ich für sie eine Fremde. Eine junge Frau, die von der Sonne gebräunt in kurzer Hose, T-Shirt und mit einem Fahrradhelm auf dem Kopf ins Postamt kam. Die weite Reise ist jedem meiner Ausrüstungsgegenstände gut anzusehen. Eng umschlungen stehen wir für einen Augenblick beieinander, dann findet auch der Mann, der die ganze Zeit hinter mir gestanden hat, wieder seine Sprache. Er wolle meine Briefmarken bezahlen. Mit dem Satz: „Wäre ich vor zwanzig Jahren doch nur auch mal aufgebrochen“ legt er einen Geldschein auf den Tresen, bezahlt meine Briefmarken und verlässt das Postamt. Etwas ungläubig schaue ich der Beamtin hinter dem Tresen in die Augen. Sie zuckt daraufhin nur mit den Achseln, solch eine Szene ereignet sich schließlich nicht täglich bei ihrer Arbeit und wünscht mir eine gute Reise. Die ältere Dame lächelt noch einmal zu mir herüber und mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht setze ich mich wieder auf mein Fahrrad. Was für ein Tag!

Und er ist noch lange nicht zu Ende. Gerade habe ich die Stadt „Delta“ erreicht und mich zu einem kleinen Snack vor dem Supermarkt niedergelassen, da werde ich von einem jungen Pärchen über Nacht eingeladen. Eigentlich wollte ich hier gar nicht rasten, doch bei der Gelegenheit, lasse ich es mir nicht zweimal sagen. „Shawna“ und „Ben“ sind Highschool-Lehrer der örtlichen Schule und begeisterte Abenteurer.

Es wird ein wunderschöner Abend in ihrem Haus. Zwei weitere Kollegen kommen zum Sushi-Essen vorbei und während sich jeder mit dem Einrollen von klebrigem Reis, Fisch und Avocados in Nori-Blätter, Platten aus getrocknetem und geröstetem grünen Seetang, abmüht, erzählt jeder von seinen Abenteuern rund um die Welt. Zwei Stunden sitzen wir bereits über dem Atlas zusammen und vollziehen meine Reise im Detail nach. Irgendwann muss ich mich jedoch verabschieden und falle todmüde ins Bett. Was für ein herrlicher Abend in mitten neu gewonnener Freunde. Was für ein schöner Reisetag!

Mit einem Smoothie (Fruchtsaft) im Magen beginne ich meinen Anstieg zum „Kebler Pass“. Zunächst führt der Highway noch durch wüstenartiges Gebiet. In der Ferne sind aber die ersten Berge Colorados auszumachen. Mehrere nette kleine Dörfer reihen sich wenig später aneinander. Über „Hotchkiss“ fahre ich nach „Paonia“. Hier sieht es jetzt schon wieder ganz anders aus. Wälder, Flüsse, Berge, Blumen und Obstbäume so weit das Auge reicht. Hier kommen sie also her, die leckeren Pfirsiche, von denen ich in den letzten Tagen schon kosten durfte. Während es bei uns in Deutschland Erdbeeren zum Selberpflücken gibt, kann man sich hier in den Pfirsich- und Nektarinenhainen austoben. In einem gemütlichen italienischen Café gönne ich mir einen hausgebackenen Blaubeer-Muffin bevor es auf den Schotter geht.

Gegen 16:30 Uhr habe ich genug geradelt und halte angestrengt nach einem Zeltplatz Ausschau. Hinter einer Wegzweigung schlage ich mich in die Büsche und baue mein Lager auf. Dringend muss ich mich meiner Kette widmen, sie hängt völlig durch. Eigentlich will ich sie nur fester spannen, indem ich das Hinterrad löse und ein wenig zurück versetze. Doch es steht schon in der hintersten Einstellung. Die Kette ist völlig ausgeleiert und wahrscheinlich auch das Ritzel oder das vordere Zahnrad. Da ich keine Ersatzteile dafür mitführe, ziehe ich nur eine neue Kette auf. Das „nur“ entwickelt sich schnell zu einer zweistündigen Reparatur. Beinahe verliere ich die Geduld bei dieser Angelegenheit. Mir fehlt es eindeutig an einer dritten Hand, um die beiden Kettenenden sowie den dafür notwendigen Kettennieter halten und dabei dessen Schraube auf den winzigen Metallstift drücken zu können. Verzweifelt nehme ich meine Zähne zur Hilfe und schließlich klappt es dann auch. Die neue Kette sitzt und morgen kann es damit weitergehen.

Seit 02:00 Uhr am Morgen regnet es schon. Von dem Plätschern der Tropfen auf mein Zelt bin ich mehrfach wach geworden, bei meiner Abfahrt hört es schließlich auf. Nun ist der Weg jedoch völlig durchnässt und aufgeweicht. Es ist jedoch nicht so schlimm, dass ich schieben müsste

Gleich als ich meinen Lagerplatz verlasse, um zurück auf den Weg zu gehen, treffe ich auf vier Reiter mit ihren Hunden. Sie ziehen nun los, um ihre Kühe einzutreiben und laden mich herzlich dazu ein mitzukommen. Dankend lehne ich ab, obwohl ich einen Pferderitt meinen nun bevorstehenden zwanzig Kilometern Anstieg sicherlich bevorzugen würde.

Meine Beine müssen sich zunächst wieder an die Berge gewöhnen. Deutlich merke ich die Anstrengung vom gestrigen Tag. Doch es sind nicht nur meine Beine, die sich umstellen müssen. Die letzten drei Monate, in denen ich mich hauptsächlich in einer Wüste befunden habe, sind wie weggewischt. Ebenen, Sandstein, und Hitze sind Bergen, Wäldern und Regen gewichen. Es ist als ob ich mich in einer anderen Welt befände. Am Fluss sehe ich Bieber, Eichhörnchen bevölkern den Waldboden und Wildblumen zieren die Gegend. Das heiße Utah habe ich gerade einmal 300 km hinter mir gelassen. Jetzt befinde ich mich in Colorado.

Der „Kebler Pass“ liegt sich auf über 3000 m Höhe. Hier oben weht ein kühler Wind und ich mache mich schnell an die Abfahrt auf der anderen Seite. 7 Meilen geht es nun ins bedeutendste Wintersportzentrum der USA: „Crested Butte“. Im Sommer richtet sich dagegen alles rund ums Mountainbiken und so verwundert es mich auch nicht, dass ich sogleich auf drei Herren in hochmodischen Spandex-Outfits und mit technisch hochwertigen Mountainbikes treffe.

Keiner von ihnen kann glauben, dass ich den Pass mit diesem stark beladenen Fahrrad, ohne jegliche Federung und bei den matschigen Straßenverhältnissen bezwungen habe. Von Kopf bis Fuß bin ich schlammbespritzt und das überzeugt sie dann wohl am Ende doch, denn jeder will ein Foto von mir mit seiner Handykamera schießen.

Das von gerade einmal 1500 Einwohnern bevölkerte Dorf könnte wahrscheinlich auch mit einem Ski-Ort in den Schweizer Alpen mithalten. Überall stehen kleine Holzhäuser und das Zentrum hat seinen eigenen Charme.

Kurz darauf erwischt mich ein erster Schauer. Zusätzlich hat der Wind erheblich aufgefrischt und bläst mir nun mit voller Wucht entgegen. Der Himmel lässt nichts Gutes erwarten. Er ist beinahe schwarz. Glücklicherweise bin ich auch schon fast in „Gunnison“ eingetroffen. Hinter der größten Wohnsiedlung im Umkreis von 80 km mit knapp 6000 Einwohnern entdecke ich einen vielversprechenden Garten, der sich zum Campen bestens eignen würde. „Debby“ und „Mike“ erklären sich damit einverstanden, dass ich mein Zelt heute hinter ihrem Haus aufstelle.

Das befürchtete Unwetter bleibt dann allerdings aus. Lediglich etwas Regen kommt vom Himmel und ich mache es mir im Zelt mit einem Buch bequem. Wenig später werde ich von meinen Camping-Gastgebern zum Abendessen ins Haus eingeladen. Ihre Tochter befindet sich auch gerade auf Reise durch die Niederlande und Deutschland und so freuen sie sich, dass sie mich heute bei sich aufnehmen können. Ich hoffe dagegen, dass sich genau jetzt in Deutschland jemand genauso fürsorglich um ihre Tochter kümmert, die nur ein paar Jahre älter ist als ich selbst.

Pictures & Video

Highway-riding THANKS Linda, Ron and Eric!
THANKS Linda, Ron and Eric!
Begleitung für die ersten KM
Begleitung für die ersten KM
THANKS Showna and Ben!
THANKS Showna and Ben!
Sushi-Eigenkreation
Sushi-Eigenkreation
endlich... Berge in Sicht!
endlich... Berge in Sicht!
hier geht man nicht Erdbeer-pflücken... PFIRSICHE
hier geht man nicht Erdbeer-pflücken... PFIRSICHE
da sind sie auch schon und sehr lecker!
da sind sie auch schon und sehr lecker!
nochmal Glück gehabt
nochmal Glück gehabt
Kebler Pass zelten im Regen am Morgen Morgenstimmung und da kommt auch blauer Himmel
und da kommt auch blauer Himmel
Crested Butte, MTB-Paradies
Crested Butte, MTB-Paradies
alles dreht sich hier um's Rad
alles dreht sich hier um's Rad
lieber zelten.... da kommt ein Gewitter^^
lieber zelten.... da kommt ein Gewitter^^
THANKS Debbie and Mike!
THANKS Debbie and Mike!
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