Turpin Meadow Campground – Grand Teton National Park/Jenny Lake Campground – Yellowstone National Park/Lewis Lake Campground/Madison Campground
Frost gibt es jetzt schon auf 2000 Meter Höhe. Das erste Mal befindet sich ein regelrechter Eisklotz in meiner Wasserflasche. Doch wenig später kommt die Sonne zum Vorschein und wärmt mich auf. Die warme Kleidung kann ich schnell wieder ausziehen und in der Ferne sehe ich schon die Bergkette der „Teton Range". Meine Vorfreude auf den Nationalpark steigt mit jeder Pedalumdrehung.
An „Moran Junction“ begehe ich dann einen fatalen Fehler. Anstatt weiter geradeaus und erst bei der „Jackson Lake Junction“ links abzubiegen, fahre ich auf den parallel zum Nationalpark verlaufenden Highway weiter. Erst nach 25 km bemerke ich, dass ich auf dieser Route gar nicht am „Jenny Lake“ vorbeikomme und drehe wieder um. Zwar könnte ich auch auf dieser Strecke zu „Trudi“ und „Heinz“, meinen deutschen Gastgebern im Park, gelangen doch ich wollte doch so gerne die schöne Straße durch die Mitte des Parks nehmen. Also wieder zurück.
Irgendwann komme ich dann tatsächlich an den Seen vorbei. Zunächst blicke ich auf den großen „Jackson Lake“ und bei diesem herrlichen Wetter ist dort so Einiges los. Boote, Kajakfahrer und Angler toben sich auf bzw. am Wasser aus. Ich genieße die Aussicht und schlecke ein Eis. Auf meinem Weg zum „Jenny Lake“ werde ich von „David“ überholt. Der Spanier ist vor kurzem zusammen mit seinem Vater in „Vancouver“, Kanada gestartet und nun auf dem Weg nach Utah. Den Grand Teton Nationalpark möchte er sich auch nicht entgehen lassen und gemeinsam lassen wir uns auf dem „Jenny Lake Campground“ nieder. Ich hoffe nur, dass meine deutschen Freunde sich keine Sorgen um mich machen. Heute Morgen hatte ich ihnen noch geschrieben, dass ich am selben Tag bei ihnen eintreffen werde, doch durch meinen 50 km Umweg ist es dazu zu spät geworden.
Am Morgen belohnt uns ein toller Ausblick auf die Berge, die sich im glatten See wiederspiegeln. Es verspricht ein wunderschöner Tag zu werden. Nachdem ich mich von David verabschiedet habe fahre ich nun endlich weiter zum „West Homestead Circle“. Zehn Kilometer von der Nationalparkgrenze entfernt liegt hier ein tolles Anwesen. Trudi und Heinz sind die „house-keeper“ (Haushälter) einer vermögenden Familie aus „New Hampshire“, die hier ein riesiges Grundstück mit zwei wunderschönen Log-Häusern (Block-Häusern) besitzt und nur äußerst selten auf einen Besuch vorbeischaut. Den Kontakt habe ich übrigens von meinen Freunden „Carolyn“ und „Dave“ aus Tucson, Arizona bekommen. Immer wieder ergeben sich solche tollen Gelegenheiten, die mir zu einem kurzen Aufenthalt in bester Gesellschaft verhelfen.
Mit offenen Armen werde ich empfangen und nach dem Mittagessen sowie einem Rundgang ums Gelände fahren wir im Auto nach „Jackson Hole“. Dass der kleine Ort eine Durchgangsstation für Touristen ist, die von hier meist zunächst in den Grand Teton und weiter in den Yellowstone Nationalpark fahren, ist auf den ersten Blick zu sehen. Das vielleicht berühmteste Gebäude ist die „Million Dollar Cowboy Bar“. Die in die Theke eingelassenen Silber-Taler haben der Bar ihren Namen gegeben. Ganz witzig sind aber auch die Pferdesättel, die die normalen Barhocker ersetzen. Am Abend steppt hier der Bär, denn die Bar wirbt damit, die beste Live-Western-Musik in den Tetons zu präsentieren.
Ich bin dagegen wegen des Nationalparks und seinem Paradies für Wanderer hergekommen und mache mich gleich am nächsten Tag auf den Weg. Der höchste Gipfel der Bergkette ist, wie wahrscheinlich nicht anders zu erwarten, der „Grand Teton“ mit einer Höhe von 4198 m. Das Wort „téton“ ist übrigens französisch und bedeutet „Brust“. Aus Frankreich stammende Pelzhändler haben den Bergen, als sie sie von Norden aus betrachteten diesen Namen gegeben und noch heute muss jeder Tourist darüber lachen.
Ich habe mich für die 30,9 km Wanderung durch den „Paintbrush Canyon“ und zurück durch den „Cascade Canyon“ entschieden. Es ist eine der anstrengendsten Rundwege im gesamten Park und daher geht es auch schon um 07:00 Uhr los. Trudi und Heinz bringen mich zum „String Lake“, wo ich den immer steiler werdenden Aufstieg in den Paintbrush Canyon beginne. Anfangs habe ich jedoch Wetterpech und ein Gewitter erwischt mich. Ich befinde mich mitten im Wald zwischen zahlreichen, dicken Bäumen – nicht der günstigste Ort bei Blitz und Donner. Als dann noch Hagelkörner auf mich niederprasseln überlege ich schon ernsthaft umzudrehen und auch meine Gastgeber berichten mir am Abend, dass sie beinahe umgekehrt und mich wieder abgeholt hätten. Sie erleben dagegen einen wunderschönen Regenbogen, den sie mir später als Foto schenken.
Doch kurz darauf ist es vorbei und ich kann meinen Aufstieg fortsetzen. Auf 3260 m erreiche ich den Gipfel. Das letzte Stück führt über Geröll und selbst Mitte September liegt hier oben noch etwas Schnee. Das Schlimmste ist jedoch der Wind, der mich beinahe von der Passspitze werfen will. Ich mache mich ganz klein und passiere wie ein flinkes Eichhörnchen den Bergsattel. Nur hier oben treffe ich auf einige Wanderer, die mit den gleichen Bedingungen zu kämpfen haben, ansonsten habe ich die gesamte Gegend für mich allein. Der Ausblick vom Pass ist wirklich vom Feinsten. Ich blicke auf „Lake Solitude“ und „Mica Lake“, zwei smaragdgrüne Seen mit Bergpanorama im Hintergrund. Der Abstieg ist genauso steil wie der Aufstieg zuvor und als ich den ersten See erreiche ist es Zeit für eine verdiente Mittagspause. Zurück laufe ich durch den „Cascade Canyon“, den meistbesuchten Canyon im gesamten Nationalpark. Selbstverständlich ist er schön anzusehen, doch der Paintbrush Canyon hat mir persönlich besser gefallen. Am Aussichtspunkt „Inspiration Point“ treffe ich dann auf die ersten Touristen. Von hier hat man eine wunderschöne Sicht über den Jenny Lake. Die 30 m Wasserfälle der „Hidden Falls“ sind ebenfalls nahebei und ohne großen Aufwand für jeden zu erreichen. Im Sommer verkehren Boote über den See und man kann die Wanderung um die zwei zusätzlichen Meilen, die ich nun außen am Ufer entlang zurücklegen muss, abkürzen. Der Verkehr wurde aufgrund des niedrigen Wasserstandes in diesem Jahr allerdings schon eingestellt.
Nach exakt zehnstündiger Wanderung und fast 31 km Strecke in den nun müden Beinen holen mich Trudi und Heinz wieder ab. Die beiden freuen sich mindestens genauso wie ich selbst, dass ich eine der schwersten Wanderungen im gesamten Park zurückgelegt habe und bewirten mich wie die eigenen Großeltern. Neben hausgemachter Erbsensuppe gibt es Pizza zum Abendessen.
Am nächsten Tag wollen wir gemeinsam los. Die Beiden sind 74 Jahre alt doch fit wie ein Turnschuh und sie lieben das Wandern im Park. Bessere Wanderkompanie kann man sich nicht vorstellen.
Auf der Fahrt zum Startpunkt sehen wir sogar einen kleinen Braunbären im Baum. Kurz darauf stiefeln wir zu Dritt los. Auch diese Wanderung hat es an Steigung in sich. In Serpentinen geht es zum „Amphitheatre“ und „Surprise Lake“ bergauf. Das Wetter bleibt überwiegend sonnig, allein die Sicht ist durch ein in der Nähe ausgebrochenes Feuer diesig. Oben am See ist es dann allerdings sehr windig und wir suchen hinter einem Baum ein wenig Schutz, um in unsere Butterbrote beißen zu können. Nach einem Foto machen wir uns schnell wieder an den Abstieg. Es geht denselben Weg zurück zum Parkplatz, doch diesmal sehen wir die sogenannten „mule deer“ (Maultierhirsche) und entdecken an einigen Sträuchern die erste rötliche Herbstfärbung.
Für die 16 km haben wir gerade einmal 6 Stunden gebraucht. Ich kann nur hoffen, dass ich in Trudis und Heinz Alter noch genauso fit sein werde und ziehe meinen Hut vor ihrer Leistung.
Am Abend werde ich von den Beiden ins Kino eingeladen. Seit Peru schaue ich mir das erste Mal wieder einen Film auf einer Großbildleinwand an. Wer von uns Dreien dabei den meisten Spaß hat, lässt sich schwer sagen. Mehrmals müssen wir beim Film „Premium Rush“, der Geschichte eines Fahrradkuriers aus New York City, laut auflachen.
Einen Ruhetag gönne ich mir dann aber doch noch. Ohne Radfahren, ohne wandern, einfach nur im Schaukelstuhl auf der Balkonterrasse sitzen und ein Buch lesen.
Das letzte Mal frühstücken wir gemeinsam am runden Tisch im kleinen Haus der Beiden, welches etwas abseits des Anwesens der Besitzer steht. Meine Fahrradtasche wird mit Proviant bis zum Rand aufgefüllt. Neben selbstgemachter Marmelade gibt es auch eine Salami und ein leckeres Sandwich. Da wir uns gestern bei der Bäckerei versehentlich vergriffen haben und anstatt meinem geliebten Walnussbrot plötzlich Kümmel im Warenkorb lag, hat Heinz extra nochmal im Laden angerufen und siehe da: frisches Walnussbrot wurde gebacken. Als besondere Überraschung übergibt er es mir am Morgen und einen neuen Fahrradspiegel hat er auch noch besorgt. Ohne den würden sie mich nicht von hier losfahren lassen! Es war eine wunderbare Zeit, die ich mit den Beiden verbringen durfte und ich hoffe, dass ich sie eines Tages in Deutschland wiedertreffen werde und mich bei ihnen für ihre Gastfreundschaft revanchieren kann. Danke Trudi und Heinz!
Auf meinem Weg aus dem Park sehe ich eine Elchmama und ihr Junges im Fluss baden. Scheu sind sie bei den zahlreichen Touristen, die alle ein Foto schießen möchten, überhaupt nicht.
Einen ganzen Tag benötige ich, um den ersten Campingplatz im benachbarten Nationalpark „Yellowstone“, dem ältesten Nationalpark der Welt, zu erreichen.
Hier sprudelt, blubbert, faucht, zischt, dampft und raucht es an allen Ecken. Der Park ist für seine geothermalen Quellen wie den Geysiren, farbenprächtigen heißen Quellen und Schlammtöpfen bekannt. Dazu gibt es Bisons, Grizzlybären und Wölfe zu entdecken. Seit 1978 zählt das gesamte Gebiet, das etwas 62 % sämtlich weltweit existierender heißen Quellen umfasst, zum UNESCO Weltkulturerbe.
Der Geysir „Old Faithful“ (der alte Getreue/Zuverlässige) ist einer der bekanntesten Geysire der Erde. Auf dem Weg hierher überquere ich gleich drei Mal das „Continental Divide“ und schaffe es zwei Minuten vor dem Ausbruch zum Old Faithful. In regelmäßigem Abstand stößt dieser Geysir sein Wasser als gigantische Fontäne aus. Die Eruption ist wahrhaftig ein Spektakel, das sich hunderte von Besuchern ansehen wollen. Der Andrang ist entsprechend groß, doch für ausreichend Platz hat die Parkverwaltung gesorgt. Ganz besonders gefällt mir auch der „Morning Glory Pool“ (morning glory = Morgenröte). Eine Topfquelle, die sich durch vulkanische Aktivität auf über 95 °C erhitzt und in der Cyanobakterien leben. Genau diese Bakterien verleihen dem Wasser seine schönen Farben. Von Tiefblau bis hin zu Orange, farblich hat diese heiße Quelle Einiges zu bieten.
Auf dem Weg nach „Madison“ komme ich gerade rechtzeitig am „Great Fountain Geysir“ vorbei. Er bricht nur alle 9-15 Stunden einmal aus, doch mir tut er einen Gefallen und lässt mich seine 30-50 m hohe Eruption sehen. Mir gefällt er sogar noch viel besser als sein berühmter Kollege „Old Faithful“.
Der Campingplatz in Madison ist bis auf den letzten Platz ausgebucht. Doch auch hier gibt es die günstigen Hiker-Biker-Sites und ich fülle gerade meinen Zettel mit den persönlichen Daten aus, als ich von „Lisa“ und „Heather“ dazu eingeladen werde die Nacht doch in ihrem Camper zu verbringen. Heather hat gerade die fünftägige 418 Meilen Radtour namens „Park-2-Park“ absolviert. Die Teilnehmer sammeln hierbei Spenden für die Organisation: „Court Appointed Special Advocates“ (CASA) aus Montana, die sich für vernachlässigte und missbrauchte Kinder engagiert.
Zu Dritt machen wir uns auf den Weg zum bereits reservierten Stellplatz für den Wohnanhänger und stärken uns mit einigen Tacos. Die Couch wird schnell ausgeklappt und schon habe ich ein Bett für die Nacht. Heather kann meine Reise noch nicht so wirklich fassen und meint zu Lisa: „she is hardcore“ (sie ist extrem).
Am Morgen werden wir von ihr zum Frühstück in „West Yellowstone“ eingeladen. Der Abschluss ihrer Radtour muss gebührend gefeiert werden und alle schlagen wir bei leckeren „French Toast“ ordentlich zu. Bevor ich den Park wieder verlasse möchte ich mir jedoch unbedingt noch die „Grand Prismatic Spring“ ansehen. Auf vielen Postkarten habe ich sie schon gesehen und bin gestern doch tatsächlich einfach an ihr vorbeigefahren. Lisa tut mir den Gefallen und gemeinsam setzen wir uns in ihren Pick-Up und fahren zu dieser Thermalquelle zurück, die übrigens die größte der USA und die drittgrößte der Erde ist. Der Anblick ist wahrhaftig gigantisch. Das ist „Yellowstone“ wie man es aus Bilderbüchern kennt. Man muss ein Stück weit den Hang hinaufklettern, damit man die Farben und die Größe dieser Quelle vollständig erfassen kann. 75 x 91 Meter groß und 47 m tief. Orange-Rot und Gelb am Rand erstrahlt sie in der Mitte in einem unbeschreiblich klaren Blau. Farben die begeistern.
Von meiner Euphorie angesteckt will mir Lisa nun auch noch „Mammoth Hot Springs“ zeigen. Mit dem Auto ist das kein Problem und so fahren wir zu diesen Kalksteinterrassen, die ganz im Norden des Parks liegen. Allerdings scheint es gar so, dass es ihnen zu dieser Jahreszeit an Wasser fehlt. Sie machen auf mich einen eher ausgetrockneten Eindruck und können mit den anderen Aktivitäten im Park nicht mithalten. Das riesige Bison, das genau vor uns über die Straße läuft, ist da schon wesentlich interessanter. Den Abend lassen wir mit einer deftigen Lasagne ausklingen und am Lagerfeuer machen wir uns natürlich auch „S'Mores“, die ich ja schon in Colorado kennengelernt habe.
Meine Zeit in Wyomings Nationalparks geht zu Ende. Die Wanderungen im Grand Teton Nationalpark und die zischenden Geysire des Yellowstone Nationalpark haben mir eine willkommene Abwechslung zum Great Divide Trail beschert. Hinzu kommt, dass ich wahre Freunde fürs Leben gewonnen habe, die diesen Abstecher zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht haben.